– Ein wichtiges Thema gewürzt mit einer ordentlichen Prise Humor –

Sehr eng mit der Wahrnehmung hängen auch die Sinne des Menschen zusammen. Und so wie die Wahrnehmung von Menschen mit Autismus eine ganz besondere ist, sind deren Sinne oftmals anders als bei Nichtautisten. Das betrifft manchmal nur einige Sinne, manchmal alle, teilweise auch gar keinen. Autismus ist, gerade hier, etwas besonders individuelles.  Wer autistische Menschen verstehen möchte findet im Verständnis der Art wie sie Sinne wahrnehmen einen weiteren Schlüssel zur Welt des Autismus. Wundern Sie sich also nicht wenn ein Autist Dinge wahrnimmt die ihre eigenen Sinne nicht erfassen.

Das Sehen:

Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass man aufgrund der mangelnden Filterung nicht nur mehr Details wahrnimmt. Man bemerkt auch Besonderheiten die nicht autistische Menschen anscheinend ausblenden. Ein Beispiel dafür sind zum Beispiel Leuchtstoffröhren oder auf der gleichen Technik basierende Energiesparlampen. Mit der Zeit können diese anfangen zu flimmern und zu flackern. Ich zum Beispiel nehme das schon sehr früh wahr. Das führt unter anderem dazu, dass man in einem Konferenzraum sitzend der Konferenz nicht mehr richtig folgen kann, da das ständige und sehr hochfrequente Flimmern einen extrem ablenkt und stört. Schließt man daraufhin die Augen, um sich auf die Konferenz zu konzentrieren, dauert es oftmals nicht lange bis ein aufmerksamer „Mithörer“ einem einen Finger in die Rippen piekst um einen aus dem vermeintlichen Büroschlaf zu wecken. Aber auch ganz alltägliche Situationen, die sicher auch Nichtautisten belasten, können sich gravierend bei Autisten auswirken. Schnelle Lichtimpulse, zum Beispiel in einer Disko oder bei Veranstaltungen, können einen Overload erheblich beschleunigen da ein Autist diese nicht ausblenden kann. Derartige Lichtgewitter können sehr belastend sein. Manchmal reicht aber auch schon der Scheinwerfer eines entgegenfahrenden Autos in der Nacht der einen extrem stört und blendet.

Hier noch ein Tipp für den Alltag: Wetten Sie niemals mit einem Autisten wenn es um Fehler in Filmen oder im Fernsehen geht. Die Chance, dass er etwas bemerkt hat was Ihnen entgangen ist, ist extrem hoch!

Das Hören:

Wussten Sie das Leuchtstoffröhren nicht nur flimmern sondern auch zirpen können? Die meisten Menschen müssen das nicht lange ertragen da viele das Zirpen erst hören wenn die Röhre schon kurz vor dem Lebensende steht und dann, weil es stört, schnellstens ausgetauscht wird. Nun sagen sie aber mal jemanden der dies nicht hört, dass sie selbst am Rande des Wahnsinns stehen weil sie einen ständigen, in der Frequenz leicht wechselnden und sehr hochfrequenten Pfeifton im Ohr haben! Da wird einem schnell mal ein Tinnitus angedreht! Wenn Autisten also einen Raum betreten und zusammenzucken oder sehr irritiert schauen: Es könnte die Beleuchtung sein! Generell ist es sehr belastend, wenn man Dinge hört die andere entweder überhören oder einfach nicht wahrnehmen. Wer schon einmal mehrere Minuten oder gar Stunden nach der Ursache für ein Geräusch gesucht hat weiß wovon ich schreibe. Nicht zu wissen was einen da nervt, ob und wie man das abstellen kann und überhaupt was schon wieder  im Haus defekt ist kann einen schon, auch ganz losgelöst vom Geräusch an sich, mächtig belasten. Bedenkt man, dass jede Wohnung bzw. jedes Haus ganz individuelle Eigengeräusche hat, kann man sich vorstellen warum Umzüge oder längere Ortswechsel unter Umständen schlaflose Nächte für Menschen mit Autismus bedeuten können! Die Empfindung von Geräuschen bzw. eine komplexe Geräuschkulisse kann aber auch ganz allgemein belastend sein. Besonders dann wenn man sich eigentlich konzentrieren muss.

Ein gutes Beispiel dafür sind wohl Wartezimmer. Wer kennt sie nicht, die typischen Wartezimmertypen? Da gibt es die Smartphonefummler die nichts anderes machen als ständig mit der Errungenschaft der Technik zu spielen und die Umgebung mit Spielesounds oder Wischgeräuschen zu unterhalten. Immer wieder beliebt sind auch die SMS-Vibrierer die dank Flatrate eine Flut von SMS bekommen während sie neben einem sitzend warten. Wer dann seine Tastentöne nicht ausgestellt hat wird schnell zum Geräuschgewehr für Autisten. Der „Guten Morgen“ Brüller ist eigentlich eine nette Spezies von Mensch. Für Autisten jedoch problematisch, bis sie sich sortiert haben und reagieren haben alle anderen schon längst geantwortet. Also lässt man es lieber. Und wo die „Guten Morgen“ Brüller sind, ist die Plaudertasche nicht weit. Man glaubt gar nicht welche Informationen man in einem Wartezimmer so mitbekommt ohne das eigentlich zu wollen. Wirklich schlimm sind aber die „Zeitschriften-Durchwühler“ die nervös sich eine Zeitschrift nach der anderen greifen und im Sekundentakt sehr geräuschvoll umblättern. Wenn man bis dato nicht wusste wie viele Seiten eine aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Wie mache ich Autisten wahnsinnig“ hat, spätestens nach der Begegnung mit dieser Spezies von Wartezimmertyp weiß man es! Ok viele Menschen haben ein Problem mit Wartezimmer und den Menschen darin, was ist da nun für Autisten besonders? Sie warten darauf aufgerufen zu werden. In der Masse der Geräusche die auf sie einprasseln geht der Aufruf unter, zumindest ist das zu befürchten. Wo Menschen normalerweise abschalten und versuchen Ruhe zu finden läuft die autistische Wahrnehmung auf Hochtouren. Mal ehrlich: Nichts ist peinlicher als wenn man aufgerufen wird und nicht reagiert. Vor allem weil die Mitwartenden oftmals dazu neigen sich suchend umzuschauen welcher Patient wieder mal „gar nicht anwesend“ ist. So wird jeder Aufenthalt in einem Wartezimmer zu einer Geräuschsafari mit anschließendem Überraschungseffekt!

Einmal einkaufen gehen gleicht oftmals auch einem Ausflug in einen Abenteuerpark. Achten Sie einmal darauf, wie oft „5 die 23“ anrufen soll, wie viele (Tief)Kühltruhen pfeifen, rappeln oder brummen und wenn die Schlange an der Kasse einmal besonders lang ist wie sehr das Piepen der Scannerkassen nerven kann! Zum Glück eines Autisten fehlt dann nur noch der Diebstahlalarm der an der Kasse nebenan losgeht und natürlich durch mehrfaches durchschieben des Einkaufswagens immer wieder neu ausgelöst werden muss! Ein guter Tag ist ein Tag an dem schon eines dieser Geräusche beim Einkaufen fehlt.

Auch hier ein Tipp für den Alltag: Achten Sie einfach mal beim nächsten Einkauf ganz bewusst darauf: Sie werden sich wundern wie Ohrenbetäubend so manch ein Einkauf sein kann! Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit!

Im zweiten Teil geht’s weiter mit dem Schmecken, dem Riechen und dem Fühlen!