Heute ist mal wieder so ein Tag an dem ich mich frage: Kann ich hellsehen? Oder ist es mal wieder nur der ganz normale Wahnsinn in den Medien?
Was ist passiert? Heute früh noch habe ich zwei meiner Blogposts zum Thema Autismus und Medien getweetet.
Zum einen „Weil es immer noch und immer wieder aktuell ist: Autismus im Teufelskreis der Sprache“.
Und zum anderen: „Einige Gründe, die gar keine sind, warum #Autismus immer wieder zusammen mit Gewalt in den Medien auftaucht: Autismus: Das Medienbild und die Wirklichkeit
Keine zwei Stunden später entdecke ich dann folgendes auf Focusonline:
EDIT: Es gibt noch einen Artikel zu dem Vorfall beim Focus: Bluttat erschüttert die USA (erschienen 25.05.2014, 9 Uhr 12)
Hass gegen Frauen. (erschienen 25.05.2014 10 Uhr 24)
Man beachte die Uhrzeit der Veröffentlichungen!
Der zuerst veröffentlichte Artikel kommt ohne Autismus aus. Eine Stunde später schlägt man dann mit der Autismuskeule um sich. Tut das Not? Oder zeigt sich hier vielmehr eine gewisse Sensationslust und Gier nach Klicks?
Konnte ich hellsehen? Nein. Autismus verleiht einem keine übernatürlichen Fähigkeiten. (also schreibt bitte nicht darüber liebe Medien). Was bleibt ist die Erkenntnis, dass es mal wieder der ganz normale und alltägliche Wahnsinn der Medien ist der uns da entgegenschlägt. Muss das sein? Nein!
Überlegt doch bitte mal was Ihr damit anrichtet wenn Ihr solche Verknüpfungen zwischen Autismus und Gewalttaten publiziert:
Autisten werden sich noch mehr verstecken. Aus Angst das man bei der Erwähnung von Autismus sofort mit einem gefühlskalten Gewalttäter assoziiert wird.
Autistische Kinder werden noch mehr in den Schulen gemobbt.
Eltern autistischer Kinder haben es noch schwerer für die Inklusion Ihrer Kinder zu kämpfen weil andere Eltern Angst vor autistischen Mitschülern haben.
Liebe Medien: Bitte informiert Euch! Ich möchte nicht dass Ihr Autismus schönredet oder nur und ausschließlich positiv über Autismus und Autisten berichtet. Das wäre nun genauso falsch. Aber überlegt bitte dreimal bevor Ihr eine Behinderung derart in einem Zusammenhang mit einer Gewalttat betont.
EDIT: Was dabei rauskommt kann man prima in den Kommentaren zum Focusartikel nachlesen:
Natürlich wird wieder auf der NRA herumgehackt. Dabei hat Kalifornien ein strenges Waffengesetz. Aber ein reiches Bübchen bekommt für genug Geld überall was er will. Vielleicht sollte man mal eher die Gefährlichkeit von total egoistischen und gefühlskalten Autisten untersuchen, die ja bislang als nicht gemeingefährlich gelten.
Es gehörte bisher zum vermeintlichen Wissens-Kanon über das Thema Autismus, dass Autisten (zumal Asperger-Autisten) NICHT zu Gewalt und Kriminalität neigen. Nach diesem Fall erinnert man sich an den Amokläufer Adam Lanza, von dem es auch hieß, er sei Autist gewesen. Muss man hier vielleicht mit alten Überzeugungen von der vermeintlichen Ungefährlichkeit von Autisten aufräumen?
Und damit Ihr Euch informieren könnt weise ich mal dezent auf meinen Job hin:
Ich informiere, berate und bilde Menschen weiter wenn es um das Thema Autismus geht. Und das als Autist. Das kostet natürlich Geld, schließlich bekomme ich meine Brötchen nicht geschenkt bloß weil ich Autist bin, aber eines kann ich Euch garantieren:
Bisher habe ich noch keinen meiner Teilnehmer verletzt oder getötet. Im Gegenteil: Ich schenke ihnen etwas: Das gute Gefühl nach meinen Seminaren oder Vorträgen definitiv mehr über Autismus zu wissen.
Aleksander Knauerhase
P.S.: Ich hasse übrigens auch keine Frauen. Im Gegenteil: Ich liebe meine Frau, und das seit 17 Jahren.
P.P.S.: Das ich meine Sache gut mache konnte man übrigens erst kürzlich in einem Artikel der dpa nachlesen 😉
P.P.P.S: Nun gibt es übrigens keine Ausrede mehr Mist über Autismus zu schreiben, das ist Euch klar, oder?
Zitat: „Aber überlegt bitte dreimal bevor Ihr eine Behinderung derart in einem Zusammenhang mit einer Gewalttat betont.“
Denn es ist NICHT der Autismus, der einen MENSCHEN zum Gewalttäter werden lässt!
Menschen, die sich zu Gewalttätern entwickeln, haben oft Ausgrenzung, Ablehnung und Hass erfahren.
Mit der betonten Berichterstattung wird aber genau DAS gefördert. Hier herrscht eine Ursachenverschleierung! Mit Erfolg, wenn man die Kommentare betrachtet!
[…] schaute ich einige Autismus-Blogs durch und stieß auf diesen aktuellen Beitrag von „Quergedachtes“ über den FOCUS-Artikel, der einen erneuten Amoklauf in […]
die journalisten hätten vielleicht mal bei ihren kollegen anfragen sollen:
http://www.independent.com/news/2014/may/24/isla-vista-shooting-echoes-david-attias/
Both Attias and Rodger struggled with significant mental-health issues. Before Rodger moved to Santa Barbara from the Los Angeles area to attend Santa Barbara City College, his mother and psychiatrist had sought to set up a range of mental-health services to enable Rodger to safely navigate the challenges of a new environment. But just two days before the shooting occurred, Rodger was reportedly denied the insurance coverage to pay for such help.
Ich sehe das Ganze relativ gelassen, denn wer immer einen angeblichen Zusammenhang zwischen Autismus und schweren Gewaltstraftaten postuliert, wird dafür keine Belege haben. Erst kürzlich habe ich mich selbst mit dem Thema Autismus und Kriminalität beschäftigt und einen Artikel darübr geschieben. Wenn man sich die internationalen Studien ansieht, wird man schnell feststellen, dass es bei Autisten im Gesamtergebnis KEINEN Hinweis auf eine erhöhte Neigung zur Gewaltktriminalität gibt, das bestätigen alle Fachleute nahezu einstimmig.
Solche reißerischen Presseberichte sind zwar ärgerlich, aber sie machen mir keine Angst, denn sie sind empirisch nicht haltbar und lassen sich leicht widerlegen. Wer etwas anderes behauptet, soll dazu die entsprechenden Forschungserbegnisse vorlegen, wenn es sie denn gibt. Dann kann man weitersehen, was dabei dabei an substantiellen Fakten noch übrig bleibt. Da brauchen wir uns vor keiner Diskussion fürchten, denn die Fakten sind klar auf unserer Seite.
Das Problem ist, daß sich der tagtägliche Leser für solche Details eher nicht interessiert. Gerade bei diesem Blatt. Da bleibt nur hängen: Oh, Gewalttäter, oh, er war Autist. Und mit diesen Lesern und ihren Meinungen werden wir dann konfrontiert. Immer wieder.
Weißt Du Dario,
dass diese Artikel substantiell wenig liefern ist nicht unser Problem!!
Unser, nein konkret jetzt mal mein Problem ist, dass in der Schule das Überleben schon vorher schwierig war. Das im Zuge der Inklusion und vorher auch schon, der Elternschaft erklärt werden muss, was da für ein/e Schüler/in mit Schulbegleiter in die Schule kommt. Das unsensible Lehrer es fertig bringen, mit Mobbing/Amok-Lektüre ein Klima zu schaffen, dass die Mitschüler Angst bekommen. Eltern aktiv bei der Schulleitung um Abhilfe bitten.
Und ich meinen Sohn irgendwie rausziehen muss, da bereits die Lektüre triggert und die Kommentare der Mitschüler tun hier ihr übriges.
Und ich bin mit dieser Konstellation leider nicht alleine.
oder das hier:
http://www.independent.com/news/2014/may/24/insights-isla-vista-shooter-elliot-rodger/
His family’s attorney said that Rodger was in “multiple therapies.” The attorney is also claiming that the parents told authorities about their son’s videos weeks ago.
[…] Das alltägliche Hellsehen und mein Angebot an Medienschaffende | Quergedachtes | Ein Blog über Aut… […]
Wenn Straftaten nicht auf vermeintlich “ Gestörte“ zugeschrieben werden könnten, müsste die Gesellschaft sich damit auseinander setzten, dass unsere Art zu Leben gestört ist.
Autismus als Beispiel kommt in der letzten Zeit vermehrt ins Spiel, weil er insgesamt mehr beachtet wird. Früher hieß es einfach : ein Psychpath.
Hauptsache, sich als Normalos und brave Bürger betrachtenden können sich fein abgrenzen. Ihre brutalen Machenschaften und Ventile ( Sex mit Zwangsprostituierten und Kindern , Gewaltpornografie , alltägliches Mobbing, Bullying, Krieg, usw.) sind entweder sozial akzeptiert oder heimlich.
Nein, die Bösen sind immer anders: krank, schwarz, fremd.
Aus Worten werden Brandsätze.
Soviel zu den Medien, die genau die ihnen zugeschriebene ihre Funktion in dieser Gesellschaft erfüllen.
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