Oder: Ich bin Autist: Ich darf das!?

Heute möchte ich mich mit meinem Beitrag auch einmal kritisch der Gemeinschaft der Autisten zuwenden. Wenn ich mir die Freiheit herausnehme Nichtautisten zu kritisieren muss ich mich auch an die eigene Nase packen und sowohl einige, oftmals ehemalige, Verhaltensmuster von mir und auch anderen Autisten kritisch hinterfragen. Vorwarnung:  Hier folgt nun meine schonungslos direkte und sehr persönliche Sicht auf so manche Dinge!

Wenn man sich auf die Suche nach Informationen zum Thema Autismus macht, und da ist es egal ob man Angehöriger, vermuteter oder diagnostizierter Autist ist, stößt man schon fast zwangsweise auf die wenigen Autistenforen und Communities. Wer hier auf Anhieb an das für sich persönlich Falsche gerät wird sein blaues Wunder erleben. Ich möchte nachfolgend ein wenig über die Bedeutung des Wortes Toleranz schreiben. Alle Communities haben eines gemeinsam: Sie fordern Toleranz für Autismus und Autisten. Dass diese aber auf Gegenseitigkeit beruhen sollte haben leider viele vergessen. So werden schon mal Hilfe suchende Menschen für die Verwendung vermeintlich falscher Worte hart abgestraft, es brechen für ein „Behinderung“ schon einmal Proteststürme aus!  Gemeint seitens der Fragenden: Autismus ist eine anerkannte Behinderung also bezeichnet man sie als solche. Sicht einiger Autisten: Wie kann man Autisten als behindert betiteln?

Es folgt der Tabubegriff „Krankheit“. Für Fachunkundige ist Autismus schon mal eine Krankheit. Dass dies formal und fachlich nicht korrekt ist wissen viele nicht.

Wenn einem Unkundigen langsam die Worte ausgehen greift er zum „Betroffenen“. Ein in der nichtautistischen Welt normal verwendeter Begriff für „von etwas ( z.B. einer Krankheit oder Behinderung) betroffen sein“. Komischerweise verstehen das nun viele Autisten sehr emotional geprägt. Also das sie „betroffen“ (und damit belastet oder traurig) von ihrem Autismus sind. Da viele das eben nicht so empfinden oder empfinden wollen: Abstrafung für die Verwendung des Begriffes.

Ich könnte die Liste an Tabuworten wohl noch ewig weiterführen. Was ich damit aufzeigen möchte: Wer Hilfe- oder Informationssuchende für solche Fettnäpfchen abstraft wird nichts erreichen! Wer Toleranz und Verständnis für Autismus und Autisten möchte muss aufklären und darf nicht abschrecken! Wer Toleranz für sich fordert muss eben auch bereit sein tolerant gegenüber anderen zu sein. Und hier hapert es leider bei einigen in Communities aktiven Autisten.

Eine Stufe weiter geht dann die Haltung „Ich bin Autist! Ich darf das!“. Mir sind in den letzten zwei Jahren leider viele Autisten begegnet die ihren Autismus als Entschuldigung vor sich hertragen. Egal wie schlecht man sich benimmt, egal was man sagt: Man darf es ja weil man Autist ist. Muss das sein? Natürlich bereitet der Autismus und die Auswirkungen im alltäglichen Leben einem Probleme. Und ja: Manchmal braucht man tatsächlich auch Rücksicht. Aber kann und darf man diese wie selbstverständlich einfordern? Oder einmal anders gefragt: Ist Autismus ein Freischein dafür sich alles zu erlauben was man möchte? Ich denke nicht! Vieles lässt sich evtl. mit Autismus begründen, aber eben nicht entschuldigen. Ich weiß, das ist besonders für viele Autisten schwer nachzuvollziehen, aber so denke ich nun einmal. Wenn nun jetzt jemand denkt: „Wieso soll ich mich in die nichtautistische Welt einpressen lassen und mich ständig anpassen?“ kann ich nur mit einem Gedankenanstoß antworten: Auch Nichtautisten müssen sich in gewissem Rahmen für diese Welt verbiegen! Es ist nicht so, dass sie es automatisch leichter haben und immer so leben können wie sie gerne wollen. Und damit sage ich auch: Bis zu einem gewissen Rahmen muss eben jeder Zugeständnisse machen um in dieser Welt zu überleben! Es steht jedem frei dies nicht zu tun, in diesem Fall ist aber nicht die Umwelt Schuld am Scheitern oder den Problemen sondern derjenige selbst. Zugegeben: Ich sage den anfangs erwähnten Spruch auch manchmal unter Menschen die um meinen Autismus wissen. Allerdings immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Wenn ich das sage will ich persönlich überspitzt darauf hinweisen das ich als Autist durchaus gewisse „Macken“ haben darf. Kurz gesagt: Ich nehme mich und den Autismus in diesen Momenten nicht wirklich ernst und erlaube mir einen Spaß!

Apropos Spaß: Witze über Autismus oder Menschen mit Autismus sind ein heißes Eisen! Ich muss zugeben: Da diese oftmals Stereotypen verwenden, die einfach nicht witzig sind und die ich mühsam versuche durch Aufklärung auszurotten, bekomme ich im ersten Moment auch einen Beißreflex. Bei besonders fiesen oder diskriminierenden Witzen bleibt dieser auch durchaus erhalten und dann gibt’s eine verbale Schelle von mir die sich gewaschen hat. Mehr erreicht man jedoch wenn man versucht aufzuklären und hinzuweisen. Guten Argumenten sind, zumindest einige und besonders die intelligenteren unter den Witzereissern, das Beste Mittel auf so etwas zu reagieren! Es kostet Zeit, es kostet Kraft und Mühe, aber es lohnt sich! Auch hier wieder etwas zum nachdenken was ich kürzlich gesagt bekam: „Ist es nicht diskriminierender als unverarschbar dahingestellt zu werden, nur weil man Autist ist? Find ich letztendlich toleranter, wenn’s im Rahmen bleibt.“ Bitte nicht gleich einen Beißreflex bekommen, letztendlich bringt es die Sache gut auf den Punkt! Autismus und Autisten sind nicht Tabu und unantastbar, die Welt wird uns besser begreifen und auch akzeptieren wenn wir, sicher ungewollt und unbewusst, nicht unantastbar in Sphären schweben die unerreichbar sind. Humor verbindet auch!

Das komplette Gegenteil von Humor ist die Trauer. Sie bringt mich zum letzten großen Punkt den ich im Rahmen dieses Beitrages gerne ansprechen möchte. Es gibt so unzählig viele Autisten die anscheinend gerne öffentlich leiden. Ich meine hier nicht das Ansprechen von Problemen oder Sorgen die jeder mal hat. Nein. Bei manchen Exemplaren des Menschen der Gattung „Autist“ habe ich wirklich das Gefühl das sie es förmlich lieben zu leiden und zu jammern. Besonders schlimm wird es wenn immer alle anderen Schuld an Problemen sind und nicht man selbst. Hier habe ich das Gefühl das einigen wirklich die Fähigkeit fehlt sich selbst reflektiert zu sehen. Natürlich: Ab und an jammert jeder mal gerne, aber als Dauerzustand? Teilweise nimmt das dann sogar für mich recht abstruse Züge an: Auf der einen Seite wird sich beschwert das man von der Arbeitsagentur in Rente gedrängt wurde, auf der anderen Seite empfinden sie ihren Autismus aber als besonders belastend, kämpfen und jeden %Grad der Behinderung mehr und um jedes mögliche Merkzeichen! Ist es da ein wunder wenn die Agentur für Arbeit einem die Rente empfiehlt? Man kann nicht alles haben im Leben! Manchmal wundert es mich schon, dass manche aufgrund des Autismus nicht das Merkzeichen Blind beantragen und vor Gericht erkämpfen wollen! An alle chronischen Jammerer und „leidenden“: Denkt mal darüber nach! Und wenn ich schon „leidend“ schreibe: Auch dieses Wort wird von einigen nicht gerne im Zusammenhang mit Autismus gelesen. Man leide ja nicht! Wenn ich mir die Foren so anschaue komme ich zu einem gegenteiligen Eindruck.

Zum Schluss bleibt mir zu sagen: Ich hoffe das ich nun nicht einen unbegrenzten Beißreflex unter meinen Lesern, besonders denjenigen mit Autismus, ausgelöst habe. Und wenn doch: Bitte denkt in Ruhe über meine Worte nach, wenn Ihr danach immer noch einen Beißreflex verspürt: Beißt zu! Ich bin nämlich nicht unantastbar sondern einfach nur menschlich!