Oder: Wenn Worte den Sinnzusammenhang verlieren
Wie die Welt aus einem Artikel bei Spiegel Online schon Mitte Dezember lernen musste: Autismus ist an Amokläufen schuld. Schlimmer noch: Autisten sind potentielle Amokläufer! Es war wohl das erste Mal seitdem ich mich mit Autismus befasse, dass autistische Blogger und viele Menschen gegen eine solche Medienberichterstattung geschlossen protestiert haben. Wir wollten den Medien, besonders aber Spiegel Online, eine rote Karte zeigen.
Das SPON diese nicht wirklich gesehen hat zeigt ein Artikel der erst kürzlich erschienen ist: „Fotoserie über versehrte Soldaten: Die stolzen Krüppel des Bryan Adams“
Heute jedoch muss ich langsam daran zweifeln ob man bei SPON überhaupt fähig ist die Farbe Rot korrekt zu erkennen!
In einer Kolumne von Jakob Augstein über Frank Schirrmachers neues Buch ist folgendes nachzulesen:
Wir alle sind Opfer einer Ideologie des Egoismus. Sie wurde für eine Welt des Krieges entwickelt und verheert heute den Frieden. Eine Ideologie der Kälte und des Autismus. Eine Ideologie von Psychopathen für Psychopathen.
Fasst man das zu einzelnen Punkten logisch zusammen ergibt sich folgendes Bild:
- Autismus wird gleichgesetzt mit Kälte und Egoismus.
- Autismus, als Teil der Ideologie, verhindert Frieden in der Welt und ist für eine Welt des Krieges geschaffen. Man könnte auch sagen: Autismus und seine Merkmale schafft Unfrieden!
- Letztendlich sind alle Opfer dieser Ideologie die von Autismus geprägt und gekennzeichnet sein soll.
- Zu guter Letzt: Autismus wird in Bezug zur Psychopathie gesetzt.
Ein Bild das weder der Behinderung Autismus noch den Autisten in Deutschland und der Welt gerecht wird. Im Gegenteil: hier wird wieder einmal, auf Kosten von behinderten Menschen, Sprache so spitzfindig benutzt um einen Zustand zu beschreiben für den man anscheinend als ausgebildeter Journalist keine anderen Worte finden möchte.
Geht man nach dem Duden ist diese Verwendung des Wortes Autismus in der deutschen Sprache leider zulässig. Der Duden ist allerdings auch nicht dafür gedacht moralische, ethische oder gar diskriminierende Verwendungen von der deutschen Sprache zu gewährleisten. Er schreibt letztendlich nur vor wie man gewisse Worte zu schreiben hat.
So bleibt es also in den Händen der sprachlich ausgebildeten Menschen, eben den Journalisten, die vom Duden vorgegebenen Worte so zu verwenden das man damit weder Menschengruppen diskreditiert, diskriminiert oder anderweitig negativ angreift.
Ich habe schon so viel über Autismus und die Medien geschrieben. Langsam geht mir die Kraft aus.
In aller Kürze für alle die Autismus bisher nur als sprachliches Stilmittel sehen:
Autismus hat nichts mit Gefühlskälte zu tun! Bloß weil wir Autisten Probleme damit haben Gesichtsausdrücke korrekt zu deuten heißt das nicht, dass wir keine Gefühle empfinden können! Das Gegenteil ist der Fall!
Autismus als Behinderung erzeugt weder Gewalttaten noch stiftet er Unfrieden oder zettelt Kriege an! Genauso wenig wie schwarze Haare oder ein Schnupfen!
Die Welt bzw. die Gesellschaft hat keinen nachvollziehbaren Grund sich als Opfer von Autismus zu fühlen oder pauschal darunter zu leiden!
Autismus und Psychopathie sind zwei verschiedene Dinge! Autismus ist der Definition nach eine tief greifende Entwicklungsstörung, Psychopathie eine Persönlichkeitsstörung! Autisten sind keine gestörten Persönlichkeiten!
Herr Augstein antwortet, auf Facebook zu der Bedeutung von Autismus in seiner Kolumne angesprochen, mit folgenden Worten:
Liebe Annette Boecker, Autismus ist hier als Chiffre für selbstbezogenes Kommunikationsunfähigkeit gemeint – nicht als Beschreibung oder Diffamierung eines klinischen Symptoms. Manchmal bemächtigt sich der Sprachgebrauch eines Wortes und löst aus dem eigentlich zugehörigen Sinnzusammenhang heraus … Das ist hier der Fall. Es tut mir Leid, wenn Sie sich da sozusagen unter die verbalen Räder gekommen fühlen. Ihr JA
Ich sage es mal so:
Lieber Herr Augstein,
wenn sich der Sprachgebrauch eines Wortes bemächtigt und dann noch aus dem eigentlichen Sinnzusammenhang herauslöst: Hat es im Journalismus so nichts mehr zu suchen! Warum? Weil ohne eindeutigen Sinnzusammenhang nicht mehr klar wird was nun gemeint ist. Die Schäden die durch eine persönliche Fehlinterpretation beim Leser oder gar durch vom Autor implizierte Mitschwingungen ausgelöst werden sind nicht wieder zu reparieren. Als Autist, der sich nach allen Kräften bemüht über Autismus aufzuklären, weiß ich mittlerweile sehr gut wovon ich hier spreche! Und nebenbei: Sollten Journalisten nicht die deutsche Sprache hegen und pflegen? Und nicht mit einer Verwendung außerhalb des Sinnzusammenhanges anfangen Worte und Bedeutungen beliebig und frei definierbar zu gestalten? Wo kämen wir da hin?
Es grüßt, ganz und gar nicht freundlich oder gar fröhlich
Aleksander Knauerhase
Anlage: Eine Karte. Die Farbe ist übrigens DUNKELROT…nur für den Fall das es eine Rot-Grünschwäche vorliegt!
Journalisten möchten nicht nur keinen anderen Begriff finden, sie möchten mit der Begrifflichkeit die beschriebenen Gruppen psychopathologisieren. Dass dabei Kollateralschäden entstehen, in dem tatsächliche Autisten durch die Verwendung des Begriffs als Schimpfwort diskreditiert werden, ist ihnen egal.
Viele Autisten haben Probleme damit, Wörter oder Wendungen im übertragenen Sinne zu verstehen. Wie man hier deutlich am Begriff „Autismus“ selbst feststellen kann. Jakob Augstein hätte dieses allerdings wissen oder erkennen können, und in seiner Antwort darauf eingehen können.
Und für die Autisten: Wer (noch) „Negerkuss“ sagt, ist deswegen nicht gleich ein Rassist. Da man es nicht abschaffen kann, weil ein großer Teil der geschriebenen wie gesprochenen Worte im übertragenen Sinne gemeint ist, müsst Ihr Euch wohl oder übel damit abfinden, dass für viele Menschen „Autismus“ für eine extreme Form von Selbstbezogenheit (gr. autos = selbst) oder Egozentrismus steht.
Dass die Menschen auch die eigentliche Bedeutung kennenlernen, lässt sich nicht durch Verbote (oder Rote Karten) erreichen, sondern höchstens durch Aufklärung. Die aber ihre Zeit braucht…
Falsch. Wir müssen uns damit ebensowenig abfinden, wie man sich mit der Verwendung des Begriffs „kriminelle Ausländer“ abfinden muß.
Es geht mir mit meinem Blogpost nicht darum „Autismus“ aus dem wortschatz der Journalisten und Medien zu streichen und zu tabuisieren. Es geht mir darum das es nicht sein kann, dass Autismus in einem Zusammenhang verwendet wird bei dem der Autor selbst sagt: Der Sinnzusammenhang ist verloren gegangen“.
Besonders dann wenn gleichzeitig impliziert wird, dass Autismus (wenn auch in diesem Fall als Attribut einer Ideologie) mit Psychopathen und Psychopathie in Verbindung gebracht wird. Gleiches gilt für das „kalte“ Image des Autismus. Zusammen genommen sind wir dann nämlich nicht mehr weit von psychopatischen Autisten die Amok laufen!
Sehr geehrter Herr Augstein,
Sie haben der notwendigen Aufklärungsarbeit zum Thema Autismus erheblih geschadet.
Sie sollten diese Verfehlung umfassend korrigieren.
Beste Grüße
Bernd Rathke
vorhin habe ich herrn augstein einen brief auf seine facebookseite geschrieben.
ich mag nicht mehr stillhalten.
S.g.Herr @Augstein Sie entfernen das Wort #Autismus schnell aus Ihrer @SPIEGELONLINE Kolumne .. und mein @derfreitag-Account bleibt bestehen
^^meine 140 Zeichen
Aleksander schreibt in:
-Autismus: Das Medienbild und die Wirklichkeit
Veröffentlicht am 15. Dezember 2012-
…“Autisten sind potentiell und grundlos aggressiv!
Dieser Eindruck entsteht zumeist dann, wenn Autisten für die Umwelt plötzlich, unverständlich und manchmal auch sehr heftig reagieren. Aber warum ist das so? Sicher nicht weil sie aggressiv sind oder anderen Menschen schaden wollen. So ein Verhalten drückt in vielen Fällen eine Überlastung aus.
Stellen Sie sich vor das sie in eine Ecke gedrängt werden, ihre Hilferufe übersehen werden und Sie keine andere Möglichkeit mehr sehen diesem Druck und dieser Belastung auszuweichen. Wenn Sie sich dann in einem solchen Moment wehren oder bemerkbar machen: Ist das Böse gemeint? Wollen Sie jemandem schaden? Ich denke nicht. Und so ist das eben auch bei Autisten, wir sind auch nur Menschen!“
Zitat ende!
Eine bessere Beschreibung für das Tun von Adam Lanza habe ich noch nicht gefunden.
Allerdings mit einer Einschränkung, Unmenschliches Verhalten ist nicht Menschlich, es ist eben wie der Begriff deutlich ausdrückt „unmenschlich“. Adam Lanza sah keine andere Möglichkeit, er war in seiner (autistischen) Welt (sicht) gefangen, er konnte nicht einfach seine Sachen packen, wie jedes normale, in die Enge gedrängte Tier das tun würde, abhauen und ein eigenes Leben leben, fern des perversen Drucks, den Mutter, Gesellschaft, Kultur, auf ihn ausübten. Alt genug dazu wäre er gewesen. Erwachsen werden oder sein heißt auch auf die Meinungen der Anderen zu Scheißen, sich umzudrehen, alles hinter sich zu lassen und eigene Wege zu gehen.
Es gibt Menschen die sich in die Ecke gedrängt fühlen und nicht anders können. Und es gibt Menschen die wirklich Gefühllos und eiskalt sind wenn es um ihre eigenen Ziele geht. Ersteres ist menschlich, letzteres sind die Psychopathen.
Das von mir beschriebene Szenario ist definitiv nicht psychopathisch. Ein geplanter Amoklauf hingegen schon.
Ich verstehe den Ärger über die Verwendung des Wortes schon und gleichzeitig kann ich für mich sagen, dass ich beim Lesen des Artikels von Augstein nicht einmal an Menschen mit Autismus gedacht habe.
Das geht sicher vielen Menschen so. Zeigt das aber eben nicht auch wie unsinnig die Verwendung des Wortes Autismus in einem solchen thematischen Zusammenhang ist? Warum beschreibt man dass was man sagen will nicht mit klaren Worten sondern mit einer Behinderung die viele Symptome umfasst? Das ist es letztendlich was ich als Autist nicht verstehe 🙁
Augstein? DER Jakob Augstein? Dieser Verschwörungtheoretiker? Der löst alles mögliche aus sinnvollen Zusammenhängen und zimmert sich seine ganz eigene Wirklichkeit.
[…] Quergedachtes: Autismus, Krieg, Gefühlskälte und die Psychopathen (via […]
Im Übrigen wird sich wahrscheinlich niemand,der diese quergedachten Texte zufällig liest,die Mühe machen,zu unterscheiden zwischen Entwicklungsstörung und Persönlichkeitsstörung.
Das werden wohl selbst Behinderte nicht immer wissen bzw. in einen Topf werfen. Ich jedenfalls kann da keine Grenzen und Unterschiede erlären,wenn ich gefragt werden würde.
[…] Egoismus […]
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