Es sind nun fast 14 Tage nach dem Treffen bei der Aktion Mensch vergangen. Ich habe jetzt erst so langsam realisiert was an diesem Tag passiert ist, Worte fehlen mir immer noch dafür.

Zur Vorgeschichte möchte ich auf drei Blogposts hier im Blog verweisen, sie dokumentieren was in den letzten Monaten und im Vorfeld zum letzten Treffen, einer Podiumsdiskussion, passiert ist.

Links in chronologischer Reihenfolge:

https://quergedachtes.wordpress.com/2015/07/31/ich-kann-eigentlich-nur-verlieren/

https://quergedachtes.wordpress.com/2015/08/20/nicht-ueber-uns-ohne-uns-oder-doch-lieber-nicht/

https://quergedachtes.wordpress.com/2015/08/23/offener-brief-an-die-aktion-mensch/

https://quergedachtes.wordpress.com/2015/09/03/ein-offener-brief-und-der-lange-weg-danach/

Maedel von Innerwelt war einer der Gäste bei der Podiumsdiskussion und hat ihre Erlebnisse hier niedergeschrieben:

https://innerwelt.wordpress.com/2015/11/22/treffen-bei-aktion-mensch/

Den ersten Schock hatte ich noch im Foyer der Aktion Mensch. Ich sah die Namensschilder und welchen Namen entdeckte ich dort? Pro. Dr. Röttgers. Der zweite Vorsitzende des Ifa (Institut für Autismusforschung), dem Träger eben jenen Projektes um das der ganze Wirbel angefangen hat. Warum mich das schockiert hat? Ich habe das erste Treffen nach einem längeren Mailwechsel mit ihm abgesagt. Zum einen weil sich immer wieder der Veranstaltungsort änderte, dann die Grundbedingungen (ich sollte Stillschweigen zusichern) und zum Schluss wollte man noch eine Terminabsprache die lange vorher mit der Aktion Mensch stand verschieben. Dazu kamen die rhetorischen Kniffe und geschlossenen Fragestellungen die ich persönlich als manipulativ empfunden habe. Ich habe damals klar kommuniziert: Mit Mitgliedern des IfA möchte ich nicht an einem Tisch sitzen. Es gab zu dem jetzt stattgefundenen Treffen auch die Zusage: Es findet ohne Vertreter des Projektes statt. Herr Cordes war dann übrigens auch Gast der Aktion Mensch bei der Diskussion.

Beim Betreten des Veranstaltungsortes bekam ich dann einen weiteren Schreck: Ich sollte direkt neben Herrn Lechmann vom ATZ Köln/Bonn, die „pro ABA“ Position vertretend, sitzen.

Nach einer Einleitung und der Vorstellung der Podiumsteilnehmer sollten sich dann die Gäste kurz vorstellen. Das ging solange gut bis Herr Cordes an der Reihe war. Er stellte sich nicht nur vor, sondern fing an über das „angegriffene“ Projekt zu reden. Die Moderation, der Pressesprecher der Aktion Mensch, ließ ihn gewähren. Das Gleichgewicht der Teilnehmer war hier schon erheblich ins Wanken geraten. Zum einen drängte sich das geförderte Projekte in den Vordergrund, zum anderen wurde mit der Betitelung „angegriffen“ ein Ungleichgewicht geschaffen da ich als Podiumsteilnehmer automatisch als Angreifer und damit negativ belegt worden bin. Fair war das sicher nicht. Auffällig war ebenfalls: Seitens der Aktion Mensch waren nur externe Gäste vor Ort die „Pro ABA“ eingestellt waren. Hätte ich keine Gäste mobilisieren können, was ja angesichts der Verpflichtung über das Treffen  zu Schweigen nicht so leicht war, wäre ich dort alleine in der Position gegen ABA. gewesen.

Ich musste mich dann recht schnell dafür rechtfertigen, dass ich ABA (Applied Behavior Analysis) als Menschenrechtswidrig, unmoralisch und unethisch empfinde. Mit dem Ergebnis dass es irgendwann „Konsens“ war, dass ABA den ethischen Richtlinien entspricht, man höchste ethische Therapiestandards erfüllt und man in keinem Fall von einer Menschenrechtsverletzung sprechen kann. Thema beendet.

Generell wurde den anwesenden Autisten von der anderen Seite schnell entweder das Wort im Mund herumgedreht und gegen uns ausgelegt oder gesagt Dinge schnell übergangen.

Einige Beispiele:

Ich verglich, unter Angabe folgenden Zitates, ABA mit der Umerziehung von Linkshändern die diesen teilweise erheblichen Schaden zugefügt hat:

„Es geht darum, dass die Kinder ihr gelerntes autistisches Verhalten vergessen und ein neues erlernen“

(Quelle: http://www.pressedienst.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen183.c.4257.de)

Was wurde daraus? Zum einen warf man mir vor, dass ich das Leid von schwer autistischen Kindern mit so etwas vergleichbar harmlosen wie einer Linkshändigkeit verharmlosen würde. Zum anderen kam man überraschend schnell zum Schluss: ABA ist keine Umerziehung. Das sei zu hart formuliert.

Was man nicht verstanden hat oder verstehen wollte: Wenn man schon bei so einer, von den anwesenden ABA Vertretern als klein empfundenen, Sache wie Linkshändigkeit durch Umerziehung und Verbiegung derart traumatisiert wird….wir ist soll das dann bei einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung wie Autismus aussehen? Alles Gummibärchen oder was?

Es wurde übrigens auch viel Zeit darauf verwendet darzustellen, dass Kinder ja auch erzogen werden müssten und ABA dann auch nichts anderes sei. Und ob wir nicht wollen würden, dass unser sechsjähriges Kind alleine zum Bäcker einkaufen gehen könne. Generell wurde tunlichst vermieden über das WIE der Therapie zu reden. Es ging nur um die augenscheinlich erst mal tollen Erfolge und Ziele. Wie oben schon erwähnt: Umerziehung ist ja zu hart formuliert für ABA (Ironie!)

Erschreckend war dann der Diskussionsteil in dem es um Kommunikation ging. Man baute ein Schreckensbild von schweren Autisten auf die „0,0 Kommunizieren“ und nur Wedelnd, schreiend und schlagend in der Ecke sitzen. Man könne mit ABA diese zur Kommunikation bewegen. Zur verbalen wohlgemerkt. Unsere vehement eingebrachten Argumente, dass a) verbale Kommunikation nicht die einzige ist b) NICHT Kommunizieren NICHT geht und c) der Kommunikationsfehler nicht beim Autisten liegt weil man d) durchaus lernen kann die Kommunikation des Autisten zu verstehen wurden klein geredet. Man verstand uns nicht. Es ging uns die gesamte Diskussion darum zu vermitteln, dass es wichtig ist den Autisten und sein handeln zu verstehen und nicht darum ihn umzuerziehen. Aber egal welche Argumente wir eingebracht haben: Sie wurden nicht verstanden.

So ging es die ganze Zeit über. Die Podiumsdiskussion wurde übrigens auch, entgegen der Planung, viel früher geöffnet. Geplant waren 30 Minuten Diskussion mit den Gästen. Tatsächlich waren es erheblich mehr. Damit gab man unter anderem Prof. Dr. Röttgers und Herrn Cordes erheblich mehr Zeit an der eigentlich als Podiumsdiskussion gedachten Veranstaltung aktiv teilzunehmen.

Nach dem offiziellen Teil, man begab sich nach nebenan zu einem Imbiss, ging es für mich sehr unangenehm weiter. Ich stand mit dem Rücken zum Tisch und mit zwei Stühlen jeweils links und rechts neben mir. Irgendwann war ich dann von zwei Gästen dieses Treffens „eingekeilt“. Einer stand links vor mir, einer leicht rechts vor mir. Und das in einem Abstand von weit weniger als einem Meter. Es wurde die Chance genutzt um mir nahezulegen, dass ich auf das achten solle was ich in meinem Blog schreibe. Ich würde die Eltern verunsichern und dazu beitragen das autistische Kinder großen Schaden erlitten weil ihnen möglicherweise eine passende Therapieform vorenthalten würde. Man könnte es auch so zusammenfassen: Hören Sie auf negativ über ABA zu schreiben Sie richten damit großen Schaden an. Das man dann meine Hochbegabung dazu nutzte mir vorzuwerfen, dass ich doch intellektuell in der Lage sein sollte selbst zu erkennen was ich da „sage“ und „anrichte“ war dann nur noch das „i-Tüpfelchen“. Ich fühlte mich mittlerweile derart bedrängt, dass ich mich am Tisch festkrallte und eigentlich nur noch funktionierte. Ich konnte mich nicht selbst aus dieser Situation befreien weil ich gar nicht realisieren konnte in welcher Lage ich da war. Ich bin Maedel sehr dankbar, dass sie mich irgendwann aus dieser Situation herausholte. Ihr warf eine der beiden Personen übrigens an den Kopf „Autismus ist eine Krankheit“. Eine weitere „Stilblüte“: ich wurde auf meinen „Vergleich von ABA und MMS“ angesprochen. Ich sagte damals nur, dass die autistische Community auf ABA als Thema genauso empfindlich reagiert wie auf das Thema MMS. Daraus wurde ja damals schon ein „Sie setzen ABA mit MMS gleich“ konstruiert. Nun kommt es aber: Man sagte mir „Es gibt keine autistische Community“. Implizierend das ich eine Einzelmeinung vertrete und kein Autist hinter mir steht. Tja.

Was soll ich noch schreiben? Auch danach ging es nicht erfreulich weiter. Meine Lebensgefährtin wurde von Herr Cordes in Beschlag genommen, eine Teilnehmerin warnte andere Teilnehmer vor Maedels und meinem Blog und auch beim Imbiss wurde mir sehr nahegelegt ich soll keinen Schaden an autistischen Kindern mit meinem Blog anrichten. Schließlich würden Eltern sich viel eher in Blogs informieren anstelle zu Beratungsstellen zu gehen. Apropo Beratungsstelle: Es gäbe in Deutschland nur eine unabhängige die über alle Formen der Therapie unabhängig berät. Ratet mal wo…

Nachträglich enttäuscht bin ich auch von folgender Sache:

Jeder Podiumsteilnehmer bekam die Möglichkeit seine Position in maximal 1000 Zeichen für den Aktion Mensch Blog aufzuschreiben. Maximal 1000 Zeichen bedeuten im Falle von Herrn Lechmann (Pro ABA)fast 1500 Zeichen. Soviel zur ausgewogenen Veranstaltung.

Fazit:

Ich durfte öffentlich weder über den Ort des Treffens noch das Datum bzw. die Uhrzeit sprechen. Klar formulierte Konsequenz seitens der Aktion Mensch wäre eine sofortige Absage des Treffens gewesen. Schon das erste, geplatzte, Treffen stand seitens des IfA unter dem Aspekt möglichst große Geheimhaltung zu betreiben.

Es wurden Gäste geladen bei denen ich vorab klar kommuniziert habe dass ich nicht an einem Tisch mit diesen sitzen möchte weil ich vorab schon massiv rhetorisch und für mein Empfinden manipulativ bearbeitet worden bin.

Von der Aktion Mensch sind nur „pro ABA“ eingeladene Gäste erschienen.

Schon bei der Vorstellung der Gäste wurde akzeptiert, dass ich als Podiumsgast in eine Position gebracht worden bin aus der heraus ich mich rechtfertigen musste.

Ich musste rechtfertigen warum ich ABA als Menschenrechtswidrig, unethisch und unmoralisch empfinde. Die „Gegenseite“ musste hingehen nicht erklären warum ABA dies nicht ist.

Anwesenden Autisten wurden die Argumente verdreht und als Vorwurf (z.B. das wir das Leid der schweren autistischen Kinder verkennen) zurückgeschickt.

Es wurde nicht über die Mittel und die Ausführung von ABA geredet. Nur über die Hochglanzziele die man mit ABA erreichen kann.

Ich wurde von zwei Gästen der Aktion Mensch so konfrontiert, dass ich mich als Autist körperlich bedrängt und eingeengt gefühlt habe.

Man legte mir und Maedel nahe, dass wir besser aufpassen sollen was wir über ABA verbloggen. Wir würden damit Eltern verunsichern und autistischen Kindern massiv schaden. In einer offen lesbaren ABA Mailinglistemit mehr als 1000 Empfängern ist danach zu lesen gewesen:

„(…)es gab eine Vereinbarung, dass die Hetze durch Herrn Knauerhase im Internet unterlassen werden soll.“ Quelle/Beleg

Ich verwehre mich dagegen Hetze zu betreiben und dass es eine solche Vereinbarung gibt ist schlichtweg unwahr.

Es wurde, auf dem neutral gedachten Treffen, aktiv von unserem Blogs abgeraten.

Und zu guter Letzt bekam Herr Lechmann (pro ABA) für sein Fazit im Blog der Aktion Mensch 1500 Zeichen zur Verfügung gestellt. Mir wurde gesagt: Maximal 1000.

Man kann gut erkennen welches Ungleichgewicht hier durch die gesamte Veranstaltung hin herrschte. Der Pressesprecher der Aktion Mensch wurde von mir einige Tage nach der Veranstaltung über die Missstände und das Ungleichgewicht informiert. Einzige Reaktion: Es gehört dazu, dass die Vertreter des angegriffenen Projektes auch zu so einer Veranstaltung eingeladen werden. Zu den weiteren Punkten schweigt sich der Pressesprecher auch auf Nachfrage aus.

Letztendlich war die Veranstaltung nur zu einem gut: Das geförderte Projekt des IfA steht gut dar, und auch der Förderantrag für MIA von Prof. Dr. Röttgers steht in perfektem Licht. Ziel erreicht: ABA bekommt massiv Geld, Autisten wurden wieder einmal mundtot gemacht, diskreditiert und in die Ecke „Ihr schadet autistischen Kindern die Hilfe brauche“ gesteckt.

Wir man mit unserem Bedenken und Argumenten umgegangen ist zeigt die Einstellung der ABA Befürworter zu Autisten: Wir werden als Feinde gesehen die am besten schweigen sollten. Wir sind unbequem im Geschäftsablauf.

Werden wir schweigen? Nein!