Bei frühkindlichem Autismus, und das grenzt ihn von Asperger Autismus ab, ist die Sprachentwicklung verzögert. So kommt es, dass autistische Kinder häufig  erst sehr spät oder sehr selten überhaupt nicht anfangen zu sprechen. Es gibt auch viele Fälle, bei denen erste erlernte Sprache schlagartig  zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr aufhört. Die Kinder schweigen. Eine Belastung für viele Angehörige wenn man bedenkt, dass Sprache doch etwas sehr elementares und auch Normales in unserer Gesellschaft ist. Ich möchte sogar so weit gehen, dass Sprache in unserer Gesellschaft als DAS Mittel der Kommunikation gesehen wird. Alle anderen Formen der Kommunikation treten hierbei schnell in den Hintergrund. Vielleicht auch deswegen sind schweigende Kinder ein als schrecklich empfundenes und nicht erklärbares Mysterium. Es entsteht dadurch auch der Eindruck, dass Autisten in einer eigenen Welt leben. Einer Welt ohne Sprache und Kommunikation. Viele mit Mutismus diagnostizierte Kinder sprechen im Laufe des Lebens früher oder später doch irgendwann. Nur warum schweigen Sie? Ich kann dabei nur von mir selbst ausgehen und versuchen anhand einiger Beispiele aus meinem Leben zu erklären warum Schweigen manchmal unumgänglich sein kann.

Wenn Schweigen schützt

Es gibt Situationen im Leben da möchte ich einfach nicht mehr sprechen. Nicht etwa weil ich es mir verkneifen möchte weil mir etwas rausrutschen könnte was ich so nicht sagen will. Es ist auch keine Strafe für Menschen die mir in dem Moment gefühlsmäßig oder räumlich nahe stehen. Leider empfinden viele dies so. Wieder ein Anzeichen dafür, dass Schweigen bzw. fehlende verbale Kommunikation mit anderen Menschen nicht in die heutige Zeit passt. Aber zurück zu den Gründen. Wenn ich anfange zu schweigen, sind das oftmals Situationen die mich entweder extrem belasten oder überfordern. Sei es das in meinem Leben etwas massiv schief läuft und ich mir in dem Moment nicht zu helfen weiß. Oder emotional sehr belastende Situationen wenn Menschen in mein Leben eindringen und es von außen fremdbestimmen möchten. Ich brauchte sehr lange bis ich das verstanden habe, aber mein Körper und meine Seele schützen sich in diesem Moment selbst. Ich Kapsel mich von der Außenwelt, die mich in dem Moment so stark belastet, ab und falle, etwas überspitzt ausgedrückt, in eine Art Trauer. In dieser Trauer bin ich nicht in der Lage zu sprechen, ich verbleibe aber sehr wohl in der Umwelt und meiner Umgebung und bekomme auch alles mit. Ich nehme nur nicht mehr aktiv an dieser Umwelt teil. Ich brauche dieses Schweigen um die jeweilige Situation zu verarbeiten und für mich zu klären. Jedes Wort würde mich zu viel Energie kosten, Energie die ich in diesem Moment nicht habe. Auch wenn es vielleicht paradox klingen mag, selbst wenn ich etwas sagen wollte könnte ich es nicht. Das sind oftmals auch die Momente in denen ich nur tief durchatme. Menschen die mich gut kennen erkennen dann schon was mit mir los ist. Bedenkt man nun, dass Autisten mehr oder weniger oft unter sensorischen und emotionalen Überlastungszuständen leiden können, ist der Gedanke das Schweigen den Autisten schützt und ihm einen Rückzug ermöglicht sicher nicht ganz von der Hand zu weisen.

Schweigen ist wie beruhigendes Streicheln

Schweigen kann aber auch etwas unheimlich beruhigendes haben. Es gibt Momente in denen möchte ich einfach nicht sprechen. Momente in denen ich mir Ruhe wünsche. Das sind auch Momente in denen ich es genieße das Schweigen so manches Mal wie Balsam für meine Seele ist. Schweigen entschleunigt die Welt, reduziert die sensorischen Einwirkungen auf mich und macht das Leben so manches Mal zu etwas besonders Schönem. Es wird in der heutigen Zeit so viel gesprochen, möglichst schnell, möglichst knapp. Sprache an sich fungiert oftmals nur noch als Kommunikationsmedium das recht gering geschätzt wird. Wie schnell sagt man etwas, dass man so inhaltlich eigentlich gar nicht ausdrücken möchte? Man denke hier nur an Schmeicheleien und Small Talk. Sprache und Worte verkommen zu fast leeren Hülsen und werden zu einem Werkzeug der Kommunikation. Das mag nun alles sehr abstrakt klingen, aber jedes Mal wenn ich mehrere Stunden oder sogar Tage nicht gesprochen habe, fange ich an Worte zu schätzen. Ich gehe sehr viel bewusster und sparsamer mit Sprache um. Eigentlich ein tolles Gefühl. Eines das mich beruhigt, erdet und mir und meiner Seele auf sehr angenehme Art und Weise schmeichelt. Der sehr angenehme Nebeneffekt vom Schweigen ist folgender: Es trainiert die Menschen mit denen wir leben darauf, auch auf andere Arten der Kommunikation zu achten und sie wahrzunehmen. Denn: Wenn man Schweigt, bedeutet das nicht, dass man nichts zu sagen hat oder nichts sagt! Man eröffnet sich nur andere Wege der Kommunikation. Etwas das einer Partnerschaft sehr gut tun kann! Ich könnte auch sage: Man lernt sich blind zu verstehen!

Sensible Kommunikation

Letztendlich kann ich natürlich nur von mir sprechen und versuchen ein Gespür dafür zu vermitteln aus welchen Gründen Autisten und Mutisten nicht sprechen. Die eigentlichen Gründe sind in meinen Augen jedoch nur am Rande wichtig. Natürlich helfen sie zu verstehen warum jemand schweigt und was die momentane Ursache dafür sein könnte. Wichtiger ist mir jedoch folgendes:

Schweigen ist keine Strafe für andere Menschen. Natürlich kann man Menschen damit bestrafen, beim Mutismus dürfte das aber definitiv keine Rolle spielen. Gleiches gilt für die Annahme, dass Menschen die Schweigen in einer eigenen oder anderen Welt leben. Dass es keine, oftmals zusätzlich auch als sinnvoll bezeichnete, Kommunikation gibt. Das ist falsch. Wenn Sie einen mutistischen oder autistischen Menschen verstehen möchten: Aktivieren Sie ihre Sinne! Lösen sie sich aus der von der heutigen Lebensweise vorgegebenen Kommunikation und entwickeln sie eine sensible Antenne dafür was Kommunikation sein und bedeuten kann.

Wenn Blicke Bände sprechen, man die An- oder Entspannung des Körpers bemerkt, auf Art und den Rhythmus des Atems achtet und sich über ein Lächeln unheimlich freut. Ja dann wird man merken das Sprache nur ein kleiner Teil dessen ist wie Menschen Gefühle ausdrücken. Sprache ist nur einer der vielen Wege der Kommunikation.