Dieses geflügelte Wortspiel ist mir als erstes eingefallen nachdem ich mich heute früh dazu entschlossen habe ein wenig über Forschungsprojekte zu schreiben. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich für Forschung bin. Auch im Fachgebiet Autismus. Man sollte nur vorsichtig sein bei welchen Forschungsprojekten man mitmacht und ob die Forschungsziele für einen selbst vertretbar sind.

Ein Projektbeispiel

Heute früh begegnete mir auf Twitter ein Hinweis zu einer Autismusstudie des ZI Mannheim.

Machen wir nun ein kleines Experiment: Schauen Sie sich bitte den Flyer an ohne hier weiterzulesen. Fällt Ihnen etwas auf? Was denken Sie wenn Sie den Flyer lesen? Merken Sie sich bitte beides und lesen sie bitte erst danach hier weiter.

Schaut man sich den Flyer an sieht man erst einmal vertrauenserweckende Zeichen:

Es ist eine wissenschaftliche Studie des ZI Mannheim, man sieht die europaflagge und kann auf der ersten Seite schon entnehmen das die Studie im Rahmen von EU-AIMS durchgeführt wird.  EU-AIMS ist laut Flyer eine Europäische Studie zu Autismus Interventionen.

So weit schön und gut, schauen wir uns mal die nächste Seite des Flyers an.

Im Teil „Worum geht es“ wird also beschrieben warum man forscht. Autismus ist noch nicht zufriedenstellend erforscht. Daraus folgt:

Um neue Behandlungsstrategien zu entwickeln und bereits etablierte Therapieverfahren effektiver gestalten zu können, ist ein besseres Verständnis dieser Grundlagen dringend erforderlich.

Bei dem Wort Behandlungsstrategien könnte man misstrauisch werden, die meisten Eltern werden es aber sicher nicht sein. Mehr dazu dann später in diesem Blogpost.

Weiter ist zu lesen:

Deshalb kombinieren wir in dieser Studie moderne Forschungsmethoden wie Computertomographie, Blickbewegung, Elektroenzephalographie, Neurokognition und Genetik.

Ganz klein, einsam und am Ende fällt das Wort Genetik. Jemand skeptisch geworden?

Unter Ziel der Studie kann man dann folgendes lesen:

In der Studie arbeiten Forscher aus verschiedenen Disziplinen aus ganz Europa zusammen, um neue Erkenntnisse über die neuronalen Grundlagen des Autismus-Spektrums zu gewinnen.

Wer würde hier misstrauisch werden? Ich vermute erst einmal keiner. Klingt ja gut.

Im beschriebenen Ablauf der Studie taucht, zwischen MRT Aufnahmen, dem Anschauen von Filmszenen und dem Lösen von Aufgaben und Spielen am PC folgendes ganz kurz auf:

Anschließend erfolgt eine Blutentnahme.

Proben von Haaren und Urin werden genommen

Wird das Eltern deren Kinder vielleicht gerade am ZI eine Autismusdiagnose bekommen haben auffallen?

Autism Speaks ist nur in den USA aktiv? Denkste!

Viele Leser fragen sich nun vielleicht: Was hat das mit Autism Speaks zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Ich vermute auch genauso soll es sein. Anfangs erwähnte ich die Europaflagge und das Projekt EU-AIMS. Wer in dem Fyler ganz genau hinschaut wird folgende Fußnote (in 8,5 Zeichengröße) finden:

*EU-AIMS = European Autism Interventions –

A Multicentre Study for Developing New Medications

Es geht also um die Entwicklung von Medikamenten. Wir erinnern uns: Im Flyer heißt das schlicht: Behandlungsstrategien.

Unter Ziel der Studie war noch von neuen Erkenntnissen über die neuronalen Grundlagen des Autismus-Spektrums die Rede. Was will man nun wirklich erforschen? Die neuronalen Grundlagen oder neue Behandlungsstrategien? Warum wird nur der Zwischenschritt und nicht das eigentliche Ziel genannt? Und sind die Behandlungsstrategien wirklich das Ziel von EU-AIMS?

Besuchen wir doch mal die Seiten von EU-AIMS

EU-AIMS involves a novel collaboration between organisations representing affected individuals and their famillies (Autism Speaks), academia and Industry who for the first time in the world have come together to develop the infrastructure underpinning new treatments for autism. Patient organizations, academic and industry join forces to develop and assess novel treatment approaches for autism.

Und spätestens hier taucht Autism Speaks das erste Mal auf. Sie sind nicht nur in den USA unterwegs mit ihrem „Forschungsdrang“, sie mischen auch an einem EU weiten Projekt mit. Der akademische Teil wird von der EU über das 7th Research Framework Programme finanziert.

EU-AIMS besteht aus folgenden kommerziellen Teilnehmern:

The project EU-AIMS, led by Roche and King’s College London is partnered with a selected group of major global pharmaceutical companies, composed of Roche, Eli Lilly, Servier, Janssen Pharmaceutica, Pfizer and Vifor Pharma, and the world’s leading Autism Research Charity Autism Speaks (USA).

Bringt man dann noch das Wissen ins Spiel, dass Autisms Speaks nicht an Medikamenten sondern an einem Gentest zur vorgeburtlichen Entdeckung von Autismus arbeitet ist es nicht mehr weit zum eigentlichen Projektziel:

Hier wird nicht an neuen Behandlungsstrategien oder Medikamenten für/gegen Autismus geforscht. Hier geht es, und das beweist ja auch die Blut-, Haar- und Urinprobe, alleine um die genetische Erforschung von Autismus. Und das nicht aus selbstlosem Interesse und um zu entdecken woher Autismus kommt. Mir kann zumindest niemand glaubhaft machen, dass so viele Pharmaunternehmen so ganz selbstlos forschen. Und auch diese Unternehmen hätten ein Interesse an einem pränatalen Test auf Autismus. Sowas verspricht, gerade wenn man wie Autism Speaks von einer Seuche redet, ein enormes Gewinnpotential. Stellen Sie sich das mal vor: Welche Eltern wollen denn nicht sicher gehen das sie keinen Autisten bekommen wenn Autismus eine furchtbare Seuche, unendliches Leiden und eine Lebenzerstörende Behinderung ist?  Und wenn man dann noch sieht das Autism Speaks mittlerweile, belegt durch eine natürlich sorgfältig durchgeführte Studie in Südkorea, von einer Häufigkeit von 1:38 ausgeht, muss man schon befürchten, dass fast alle Schwangeren auch einen solchen Test machen lassen. Da rollt der Dollar und die EU hat das dann fleißig mitfinanziert.

Schlimmer ist für mich aber folgendes: Eltern werden mit bewusst harmlos formulierten Studienaufrufen quasi schon dazu überredet im Namen der Forschung Genmaterial der Kinder abzugeben. Was sie genau damit unterstützen werden die wenigsten wissen. Und das ist es was ich hier deutlich machen und verurteilen möchte. Man kann zur Genforschung stehen wie man möchte, aber sagt gefälligst was Ihr mit diesen Daten erforschen wollt. Und das es eben um einen pränatalen Gentest geht und nicht um das bessere Verstehen von Autismus.

EDIT: Ich habe den drei Personen die im Flyer als Ansprechpartner genannt werden folgende Fragen geschickt:

  1. Warum und für welchen Studienteil brauchen Sie Blut-, Haar- und Urinproben der Probanden?
  2. Wieso wird die genetische Komponente der Studie im Flyer nur klein und versteckt beschrieben?
  3. Was passiert mit den genetischen Daten nach der Studie?
  4. Als Mitglied von EU-AIMS ist Ihnen sicherlich bekannt, dass Autism Speaks ebenfalls zu EU-AIMS gehört. Kennen Sie auch die Ziele von Autism Speaks?
  5. Ist Ihnen bekannt, dass Autism Speaks auf geradezu menschenverachtende Art und Weise mit dem Thema Autismus und damit auch mit Autisten umgeht? Als Beispiel möchte ich die Werbekampagne „I am Autism“ nennen. Sie können diese und auch meine Meinung dazu hier nachlesen:

https://quergedachtes.wordpress.com/2014/06/11/das-geschaft-mit-der-angst/

6. Können Sie es mit Ihrer wissenschaftlichen Ethik verantworten, dass Eltern ihre      Kinder zu der Studie schicken ohne zu wissen um welches Ziel es geht? Klären Sie die Teilnehmer und Erziehungsberechtigten darüber auf, dass die Forschungsergebnisse der Entwicklung eines pränatalen genetischen Tests auf Autismus dienen?