In den letzten Tagen ging mir wieder einiges durch den Kopf. Über Medien und die Berichterstattung rund um das Thema Behinderung und Inklusion habe ich erst kürzlich gebloggt. Neben dem Wunsch vieler Menschen mit Behinderung nach „Redet nicht über sondern mit uns“ gibt es immer wieder auch Diskussionen und Forderungen im Bereich Film und Schauspiel.

Authentisch genug?

So manch einer ärgert sich ziemlich, wenn die Rolle eines Behinderten von einem nicht behinderten Schauspieler gespielt wird. Die Darstellung ist dann oftmals in den Augen der Zuschauer nicht authentisch. Es kommt der Wunsch auf: Bitte besetzt Rollen von Menschen mit Behinderung auch mit solchen. Mir stellt sich dann die leicht provokante Frage: Können diese die Rollen wirklich authentischer und besser spielen?

Wenn ich mir die Lage genauer betrachte kommen mir hier an zwei wesentlichen Punkten Zweifel.

Zum einen ist es oftmals nicht der Schauspieler der die Rolle schlecht ausfüllt. Es ist schon das Drehbuch bzw. die Geschichte rund um die Rolle die Mängel (aus Sicht der authentischen Darstellung) aufweist. Was kann ein noch so begnadeter Schauspieler machen wenn das Drehbuch oder der Regisseur ihm/ihr genau dieses Verhalten und die gespielten Reaktionen vorgibt? Auch Schauspieler haben ihre Grenzen. Oder anders betrachtet: Wenn ich als Autist eine autistische Rolle verkörpern sollte müsste ich mich trotzdem den Dialogen und der Geschichte rund um meine Rolle beugen. Was hätten wir dann? Entweder einen Autisten ohne Engagement und Geld oder einen Autisten der eine autistische Rolle, in den Augen anderer, nicht realistisch darstellt. Beides nicht wirklich eine Option, oder?

Es gibt übrigens auch sehr positive Beispiele.  Sigourney Weaver spielt im Film Snow Cake – ein Film den ich allen nur sehr ans Herzen legen kann-  eine Autistin. Sie wurde für die Rolle sehr gut gecoacht und hat sich intensiv darauf vorbereitet. Was kam bei raus? Ein Film in dem Autismus berührend, nah und weitgehend realistisch dargestellt wurde. Natürlich könnte man hier und da wieder Kritikpunkte finden, aber man darf eben auch nicht vergessen: Eine Rolle stellt einen Menschen dar. Und Autismus ist bei jedem Menschen nun mal anders ausgeprägt. Einen Musterautisten wird es nicht geben. Ich denke mal bei vielen anderen Behinderungen ist das ähnlich.

Einen anderen Aspekt möchte ich ebenfalls in diesem Blogpost aufgreifen: Schauspiel ist ein Beruf. Und gerade in der Vielfalt der Facetten die mögliche Rollen mitbringen ist es sicher nichts was man mal eben aus dem Ärmel schüttelt. Und wie die Menschen ebenso sind: Nicht jeder eignet sich für diesen Beruf und auch nicht jeder möchte ihn ausüben. Wenn ich nun die Forderung „Rollen mit Behinderung sollen nur von Menschen mit Behinderung gespielt werden“ weiterspinne komme ich zu der, zugegebener Maßen provokanten, These: wenn man alles authentisch gespielt haben möchte müsste man Rollen von Polizisten auch nur mit Polizisten, Verbrecher nur mit Verbrechern, Millionäre nur mit Millionären und Reinigungsfachkräfte nur mit selbigen besetzen dürfen. Schließlich können nur diese Menschen die Rollen wirklich authentisch spielen. Was ich damit sagen möchte: Es ist zwar wünschenswert, aber realistisch gesehen ist dieser Wunsch nicht umzusetzen. Dazu kommt: Selbst wenn es möglich ist würde die Vielfalt innerhalb der Medienlandschaft doch schnell zusammenschrumpfen. Wer möchte schon immer denselben Autisten in der Rolle eines Autisten sehen? Davon abgesehen: Es ändert leider nichts an den Drehbüchern, Dialogen und Regieanweisungen.

Inklusion also unmöglich?

Nein. Mir persönlich liegt ein anderes Ziel am Herzen. Inklusion im Bereich Schauspiel bedeutet für mich:  Gebt behinderten Schauspielern ganz normale und alltägliche Rollen! Lasst einen Schauspieler im Rollstuhl einen Hotelier spielen, einen Schauspieler mit Down Syndrom einen Kellner. Es gäbe so viele Beispiele. Warum reisen z.B. kaum bis gar keine Schauspieler mit einer Behinderung auf dem Traumschiff? Warum gibt es nur „perfekte“ Nebenrollen in den Filmen und Serien? Man sieht in Filmen und Serien kaum Menschen mit einer Behinderung. Warum? Weil es nicht der „heilen Welt“ entspricht? Der Alltag jedenfalls sieht anders aus. Und was ich mir gleich noch dazu wünschen würde: Wenn denn ein Schauspieler mit einer Behinderung besetzt wird: Schreibt ihm doch eine Rolle in der seine Behinderung keine große Rolle spielt und umständlich erklärt wird. Warum müssen Behinderungen, wenn sie denn vorkommen, immer im Mittelpunkt der Rolle stehen?

Genau dieser Gedanke macht es mir auch so schwer den Wunsch nach „Rolle mit Behinderung bitte nur mit Menschen mit dieser Behinderung besetzen“ zu unterstützen. Nicht weil ich es nicht gut fände. Nein. Es würde die entsprechenden Schauspieler immer noch in das Korsett der Behinderung und wie sie vom Autor gesehen wird drücken. Sie stände dann doch wieder im Vordergrund.

Wichtig ist doch nicht die Behinderung sondern der Mensch dahinter. Und so kann, in meinen Augen, Inklusion nur dann stattfinden wenn Schauspieler mit Behinderung ganz selbstverständlich für jede Rolle in Erwägung gezogen werden können und auch werden. Inklusion ist wenn der Mensch zählt und die Behinderung keine Rolle mehr spielt.

Und nun interessiert mich eure Meinung zu dem Thema.