Gestern lief im Nachmittagsprogramm des ZDF eine Folge der Sendung Planet e. Thema gestern war „Schutz durch Schmutz“ .

Im Kern bezieht sich diese Sendung auf die Annahme, dass je hygienischer Kinder aufwachsen sie ein umso größeres Risiko haben chronisch krank zu werden. Als Beispiele werden hier Diabetes Typ 1 (Autoimunerkrankung) und Asthma bzw. Allergien erwähnt. So weit so gut, wenn da nicht noch eine dritte „Krankheit“ ständig in der Sendung auftauchen würde: Autismus.

Aber lassen wir doch einfach die Sendung für sich sprechen.

Nachdem auch Autismus erwähnt wurde:

„Was läuft hier schief? Versagt die Medizin? Oder wachsen die Kinder in einer Umwelt auf die sie immer kränker macht?“

Wieder in Bezug auf Autismus und das es sich um eine genetische Komponente handelt:

„Doch was bringt die Krankheit konkret zum Ausbruch?“

„In den entlegensten Regionen Indonesiens sind Autismus, Diabetes und Asthma  unbekannt. Hygiene gibt es keine…aber viel Bewegung.“

Und Darmparasiten wie Würmer. Bewegung mag ja bei vielem helfen (auch bei Diabetes Typ II um den es im Beitrag aber nicht geht), aber weder verhindert sie Diabetes Typ I als Autoimunerkrankung noch Autismus als angeborene und genetische bedingte tiefgreifende Entwicklungsstörung.

Im Beitrag werden immer wieder Diabetes, Asthma und Autismus vermischt. Übersehen wird dabei, dass Autismus eben angeboren ist.  Das man Autismus strikt aus diesem Beitrag hätte raushalten können und müssen zeigt die Aussage einer forschenden Medizinierin:

„Manche Leute spekulieren auch, dass das vielleicht etwas mit Autismus zu tun hat.“

Beim Thema wird zuviel spekuliert. Ist es der Darm, sind es Autismuswürmer die mit Chlorbleiche ausgetrieben werden müssen, ist es ein Parasitenbefall, das Leben an einer Schnellstraße, Glutenunverträglichkeit, zuviel Zucker, die Beschneidung von Jungen und was nicht noch alles schon als möglicher Grund für Autismus gesehen wurde. Das ZDF setzt noch einen drauf und bringt auch den Geburtsvorgang mit Autismus in Zusammenhang:

„Auch Kinder mit Autismus werden überdurchschnittlich per Kaiserschnitt entbunden.“

Erwähnt wurde kurz vorher, dass die Zahl der Kaiserschnitte in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Darüber nachgedacht, dass hier zwischen steigenden Kaiserschnitt- und Autismuszahlen KEIN kausaler Zusammenhang besteht wurde anscheinend nicht. Ich frage mich ob der Autor der Sendung auch behauptet hätte, dass überdurchschnittlich viele Kinder mit Autismus mit Bio Obst und Gemüse ernährt werden. Denn auch der BIO Trend hat in den letzten 15  bis 20 Jahren massiv zugelegt.

Mit Spekulationen welcher Umstand oder Stoff Autismus auslöst hilft Autisten und deren Familien nicht im Geringsten. Es bringt nur regelmäßig neue „Wunderheiler“ und Spinner auf den Plan die der Meinung sind sie hätten DIE Lösung für Autismus gefunden.

Soweit so schlimm. Was aber noch erschreckender war, war der Unterton der während der gesamten Sendung beim Thema Autismus mitschwang. Es hörte sich schon stark nach einer Werbesendung für Autism Speaks an. Was die mit „I am Autism“  angerichtet haben und welche Meinung sie verbreiten habe ich in diesem Blog schon mehrfach beschrieben.

In der Sendung kommt genau eine Familie mit einem autistischen Kind zu Wort. Hier ein paar der Aussagen vom Offsprecher und der Mutter:

„So sollte sie aussehen: eine glückliche Kindheit. Doch immer mehr Kindern bleibt sie verwehrt. […] Autismus wird immer häufiger[…]“

„Das Familienleben war schwer belastet. Als David 4 war nahm sich sein Vater, der an Depressionen litt, das Leben.“

„Mutter: Zwischen 80 und 90% aller Paare mit einem autistischen Kind sind getrennt weil die Beziehung das halt nicht aushält.“

Ich möchte mir kein Urteil über diese Familie und deren Erlebnisse erlauben. Was aber heraussticht ist der Unterton, dass Autismus Familien zerstört (woher kommen die 80 bis 90%?), Autismus das Familienleben so schwer belastet, dass sich ein Elternteil umbringt (Depression ist auch eine Krankheit)  und das den Kindern eine glückliche Kindheit verwehrt bleibt.

Es entsteht ein Bild, dass Autismus dringend geheilt werden muss. Und von da ist es nicht weit zur Forderung von Autism Speaks Autismus genetisch noch vor der Geburt verhindern zu können.

Autismus ist nicht das absolute Leid! Autismus ist sicher kein Kinderspiel und bringt für den Autisten und die Angehörigen sicher viele Probleme mit sich. Aber Autismus hat – wie alles andere auch- zwei Seiten. Und die zweite Seite habe ich massiv vermisst.

Oder um wieder mit der Mutter bzw. der Diagnostikerin die den Autismus beim Sohn festgestellt hat zu sprechen:

„Autismus, angeboren, unheilbar“

Hätte man sich diese harte Aussage zu Herzen genommen wäre vielleicht eine gute Sendung bei rausgekommen. Eine die akzeptiert, dass Autismus angeboren ist und das man auch weder mit Darmwürmern, Darmkeimen noch Stuhltransplantationen daran etwas ändern kann. Autismus ist eine unheilbare Behinderung. Und dennoch ist sie kein Weltuntergang.