Anmerkung zu diesem Artikel:
Nachfolgender Text ist im März 2011 entstanden und beschreibt meine damalige Situation und Gefühle. Wie es heute aussieht beschreibe ich dann ganz aktuell im Blogpost am nächsten Sonntag!
Heute ist wieder so ein Tag an dem ich mich wirklich in „meiner Welt“ gefangen fühle. Nicht etwa weil ich Autist bin und es liebe in meiner Welt zu leben, nein! Dann würde ich mich ja wohl und nicht gefangen fühlen. Ich bin in meiner Welt eingesperrt weil ich in einer Anonymität leben muss in der ich eigentlich nicht leben möchte. Wenn man jedoch bedenkt welche Nachteile es hat wenn bei Google mein Name mit Autismus in Verbindung gebracht werden kann lässt der Wunsch nach Offen- und Freiheit extrem schnell nach!
Das Ganze muss ja nicht immer sofort in einem sozialen Selbstmord enden, nein….die Überlegung den Autismus zu verheimlichen fängt im viel kleineren an!
Als jemand der erst mit Mitte 30 seine Diagnose bekommen hat, hat man es unter Umständen aber auch schwerer als jemand bei dem seit Kindesalter die Diagnose bekannt ist und die Eltern einem einige Entscheidungen über „Outing oder nicht“ abnehmen.
Eigentlich fängt es schon vor der Diagnose an: Man hat einen Verdacht, man weiß „irgendwas ist nicht normal“. Nur wem vertraut man sich an? In Zeiten wo geistige Behinderungen (zu denen Autismus nicht zählt!) und psychische Krankheiten ein Tabu und vor allem eine Schwäche sind, wie soll man da über Autismus reden? Wem vertraut man sich an? Mit wem redet man darüber? Geht man die Gefahr ein für einen Spinner gehalten zu werden? Gerade wenn man schon so lange durch die Welt gerannt ist ohne das Label Autist zu tragen wird es schwer so etwas anderen zu vermitteln. Man ist doch bisher „normal“ gewesen!
Die Zeit unmittelbar vor der Diagnose überspringe ich hier einmal. Aber glaubt bitte nicht, dass es einfach ist bei einem Arzt um eine Überweisung in eine auf Autismus spezialisierte psychiatrische Ambulanz zu bitten um den Verdacht auf Asperger/Autismus abzuklären!
Irgendwann hat man die Diagnose, und dann? Eigentlich sollte man froh sein das man endlich einen Namen für das hat was einen so lange gequält hat. Dummerweise hört die Quälerei nicht mit der Diagnose auf, da ändert auch ein Name nichts. Leider!
Was macht man nun? Viele spätdiagnostizierte Autisten überlegen ja sogar ob sie sich ihrer Familie anvertrauen können. Da kann man sich vorstellen das es beim Freundeskreis, und der ist bei Autisten ja zumeist recht überschaubar, noch schwerer fällt. Ich habe mich einigen anvertraut, einen Vorteil hat es: Man weiß hinterher was und vor allem wer echte Freunde sind!
Aber im privaten Bereich fängt das Dilemma nur an, bedrohlich wird es in der Arbeitswelt. Will man wirklich das Risiko eingehen einem zukünftigen Arbeitgeber etwas von seinem Autismus zu erzählen? Macht man es sinken die Chancen auf den Arbeitsplatz erheblich. Welcher Personalsachbearbeiter kann schon etwas mit Autismus anfangen? Ist ja eigentlich auch nicht notwendig, Autisten können sowieso nicht arbeiten (Raymond aus Rain Man lässt grüßen!)! Was ich damit sagen will: Man rennt, wenn man offen zu seinem Autismus steht und ehrlich ist, gegen dicke Wände erbaut aus Stereotypen und Vorurteilen. Verschweigt man seinen Autismus kommt man zwangsläufig an den Punkt bei dem entweder der Arbeitgeber unzufrieden wird weil er mehr „Normalität“ erwartet, Kollegen einen komisch anschauen und im schlimmsten Falle mobben, oder man selbst zusammenbricht weil man nicht die Bedingungen hat die man eigentlich bräuchte. Kurzum: In vielen Fällen dumm gelaufen!
Wenn man dann noch im Gesundheitssystem, das einem ja eigentlich helfen und einen unterstützen soll, seinen Autismus verschweigen oder wenn das nicht geht wenigstens runter spielen muss kommt man an einen verzweifelten Punkt. Zumindest mir wurde klar: Als Autist habe ich keine wirklich faire Chance in dieser Welt. Was bleibt? Maske aufsetzen, das Spiel mitspielen und innerlich daran kaputt gehen.
Nun bin ich jemand der mit Ungerechtigkeiten schwer leben kann. Mein Herz blutet bei der Vorstellung dass man dringend über Autismus, insbesondere auch die „leichteren“ Formen, aufklären müsste. Der Kampf um Anerkennung den z.B. Rollstuhlfahrer und Blinde bisher gefochten – aber noch lange nicht gewonnen – haben müssen Autisten noch ausfechten. Wir haben noch jahrzehntelange Arbeit vor uns! Nur wie soll man diesen Kampf aufnehmen wenn man mit einem Outing als Autist sich sehr wahrscheinlich das Leben unsagbar schwer macht?
Ich würde so gerne herausschreien „Mein Name ist xxx, ich bin Autist! Akzeptiert mich wie ich bin!“. Und wie ich mich kenne: Es wird passieren und wahrscheinlich dauert es nicht mal mehr lange bis dahin! Mit einem großen Knall und wahrscheinlich mit verdammt vielen entsetzten Blicken anderer. Ich kann nur hoffen, dass dies nicht mein Leben und meine Zukunft komplett zerstört! Einen Hoffnungsschimmer habe ich: Es gibt auch Menschen wie meinen Professor der meine Masterarbeit betreut. Ich habe mich ihm anvertraut. Und was soll ich sagen? Er hat Verständnis, aber behandelt mich trotzdem ganz selbstverständlich und normal! Wäre es doch nur bei jedem Menschen so!
Bis dahin bleibt mir wohl nur ein Leben gefangen in der Welt der Anonymität. Vergleichbar mit einem Terroristen oder Verbrecher! Mit dem Unterschied: Wir sind doch einfach nur so wie wir sind, lasst uns doch so sein!
Gerade aus diesem Grund finde ich Blogs wie diesen hier so notwendig. Für die meisten Menschen hat eine Konfrontation mit dem Thema Autismus mit „Rain Man“ angefangen und meist auch gleich wieder aufgehört.
Wenn man sich umschaut, was die deutschsprachige Literatur, und meine hier SACHliteratur, für Ansichten vermittelt. Als ich mich in der Stadtbibliothek umgeguckt habe, hat’s mich mit Grausen geschüttelt. Und dabei waren die Bücher nicht älter als zehn Jahre.
Die Sache mit dem Berufsleben sehe ich nicht ganz so pessimistisch wie du, denn ich habe voriges Jahr die Erfahrung gemacht, dass ein Outing am Arbeitsplatz auch gut ausgehen kann. Es war die Betriebsärztin, die mich dazu ermutigt hat, zunächst meine Chefin ins Vertrauen zu ziehen und später die Kollegen zu informieren.
Die Überlegung war, dass Vorgesetzte und Kollegen dann besser verstehen können, warum ich unter Stress oft in einer Weise reagiere, die für Andere schwer verständlich ist. Gerade am Arbeitsplatz lässt es sich schwer verbergen, dass man schlecht mit Stress umgehen kann, dass man schnell nervös wird und bei unvorhersehbaren Ereignissen mit Gereiztheit oder sogar Panik reagiert.
Es würde zu weit führen, die Geschichte im Detail zu erzählen, nur soviel: Die Kollegen aus meiner Abteilung (14 Leute) sind auf einer Routinezusammenkunft über meine Asperger-Diagnose informiert worden. Meine Chefin erzählte zunächst, dass ich kürzlich bei der Betriebsärztin war und und was bei diesem Gespräch herausgekommen ist. Dann übergab sie das Wort an mich. Ich erklärte, dass es nicht meine Art sei, mich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, dass wir aber gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen sind, dass es in diesem Fall das Beste wäre. Daraufhin habe ich aus meiner ganz persönlichen Sicht erklärt, was das Asperger-Syndrom überhaupt ist.
Meine Chefin ergänzte noch, dass wir mit der Betriebsärztin überein gekommen sind, die ganze Gruppe zu informieren, weil dann alle Beteiligten besser verstehen könnten, warum ich unter Stress oft in einer Art und Weise reagiere, die nicht immer verständlich ist. Die Kollegen haben den Ausführungen ruhig zugehört und nichts weiter dazu gesagt. Erst am Schluss meldete sich einer der Kollegen zu Wort. Er erklärte, dass es zwar allen klar gewesen wäre, dass ich meine ganz speziellen Schwierigkeiten habe, dass er mich aber nie als jemanden wahrgenommen hätte, der ausschließlich Defizite hat, im Gegenteil: „Du bist ehrlich, du bist genau … wenn man dir Arbeit gibt, du nimmst das ernst, du denkst mit … da hatten wir ja schon ganz andere Kandidaten, bei denen man sich längst nicht darauf verlassen konnte, dass alles ordentlich wird.“
Über diese Rückmeldung habe ich mich sehr gefreut. Ansonsten hat mich bis heute keiner mehr auf das Thema angesprochen, so dass ich fast das Gefühl habe, für die Kollegen hatte dieses Gespräch nicht unbedingt die Bedeutung wie für mich oder die Betriebsärztin. Was sich langfristig daraus ergibt, muss man abwarten, aber bis heute bin ich mit dem Ergebnis zufrieden und denke, dass der offene Umgang mit dem Problem in meinem Fall die richtige Entscheidung war. Trotzdem muss man im Einzelfall natürlich sehr sorgfältig abwägen, ob man ein Outing am Arbeitsplatz riskieren soll oder nicht.
Wow, tolle Chefin, tolle Betriebsärztin, und erst die Kollegen!
Ich stehe vor dem selben Problem – „wie sag ich’s meinem Kinde“? Und- sag ich es überhaupt? Nach deinem Beitrag hab ich jetzt wieder Mut gefasst! Danke dafür!
Als Arbeitgeber hätte ich kein Problem mit einem Autisten, solange dieser seine Arbeit ernst nimmt und gewissenhaft ausführt. Und wenn ich vorher weiß, für welche Aufgaben der Mitarbeiter überhaupt geeignet ist. (Ich denke nicht, dass ich einem Autisten Kundenkontakt zumuten würde, wenn seine Stärken eigentlich anderswo liegen. Das muss von Anfang an klar kommuniziert werden, finde ich, damit es nicht ein böses Erwachen gibt. Unkalkulierbare Risikos hasse ich wie die Pest.)
Probleme hätte ich allerdings grundsätzlich damit, wenn ich Extrawürstchen grillen müsste wie „Ich bin XXX (setze beliebige Behinderung/sonstwas ein), ich brauche einen eigenen Fahrstuhl, ein eigenes Büro und einen eigenen Dienstwagen mit eigenem Parkplatz direkt vor der Tür. Und ich bearbeite nur, was mich interessiert“.
Hallo,
ja, man sollte Autisten dort einsetzen wo sie am besten Arbeiten können. Das kann auch der Vertrieb sein! Ist aber doch bei jedem Arbeitnehmer so, oder?
„Probleme hätte ich allerdings grundsätzlich damit, wenn ich Extrawürstchen grillen müsste wie “Ich bin XXX (setze beliebige Behinderung/sonstwas ein), ich brauche einen eigenen Fahrstuhl, ein eigenes Büro und einen eigenen Dienstwagen mit eigenem Parkplatz direkt vor der Tür. Und ich bearbeite nur, was mich interessiert”.“
Ich denke da muss man schon unterscheiden. Zum einen gibt es nunmal Anforderungen die ein behinderter Mensch an einen Arbeitsplatz hat. Schliesslich ist es doch auch im Interesse sowohl von AN wie auch AG das die bestmögliche Leistung erbracht wird, oder? Diese „Extrawürste“ muss ein AG wohl oder übel hinnehmen wenn er einen motivierten und guten AN haben möchte.
Was aber weder bedeutet das man einen Dienstwagen mit Parkplatz vor der Tür braucht ( obwohl ein sicherer Parkplatz einem Autisten einiges an Streß nehmen kann!) noch das jemand sich seine Arbeit aussucht.
Bitte nicht alles in einem Topf werfen.
Aleksander
Ich habe das Asperger-Syndrom.
Ich arbeite in einem sehr großen Konzern in ziemlich exponierter Position.
Ich arbeite im Bereich Vertrieb und habe viel Kundenkontakt.
Und ich bin nachweislich einer der erfolgreichsten meiner Branche.
Aber würde bekannt, dass ich Autist bin, könnte ich diese Arbeit nicht mehr machen. Das würde wie eine Granate beim Vertriebsvorstand einschlagen: „Sagen Sie mal, stimmt es eigentlich, dass diese Aufgabe bei Ihnen von einem AUTISTEN erledigt wird? Sagen Sie mal, was ist denn das für ein Laden, den Sie da führen?!“
Ich kenne viele Nicht-Autisten die sehr darum bemüht sind, vorurteilsfrei durch’s Leben zu gehen. Trotzdem höre ich mir bei der Arbeit von diesen Menschen Sätze an, die so klingen:
„Da hat er sich aber ziemlich autistisch verhalten. Von einer Führungskraft muss man was anderes erwarten können.“
„Da hätte ich auch einen Autisten dran setzen können!“
„Hauptsache ist doch, dass man autistisch rüberkommt (haha).“
Und so weiter.
Falls Arbeitgeber diesen Blog lesen:
Könnt ihr euch wirklich so sicher sein, dass ihr Mitarbeitern mit Asperger-Syndrom offen begegnet? Oder steckt ihr die sowieso alle in den 2nd level eurer Computer-Hotline, weil das der Ort ist, wo sich Autisten am wohlsten fühlen?
Hallo,
ich empfinde es als eine Bereicherung zu erfahren, was in Dir vorgeht. Schließlich gibt es ja auch einige Menschen mit Autismus, die gar nicht oder nur wenig sprechen und man dadurch gar nicht erfährt, was sie wirklich bewegt.
Ich glaube ehrlich gesagt, dass es wirklich eine Zwickmühle ist in der Du Dich befindest. Und es muss ein enormer Druck sein ein solches „Geheimnis“ mit sich herumzutragen. Schließlich möchte doch jeder Mensch auf dieser Welt so sein dürfen wie er eben ist und sich nicht verstellen müssen. Wenn ich mich mein halbes Leben lang immer verstellen muss bringt das automatisch irgendwann Probleme mit sich. Immer die Vorstellung der anderen erfüllen zu müssen kann auf Dauer nicht gut gehen.
Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was schlimmer ist. Von Kindheit an mit der Diagnose groß zu werden und gar nicht erst die Chance auf ein „normales“ Leben zu erhalten, aufgrund der Vorurteile in der Schullandschaft oder später mit der Diagnose nicht an die Öffentlichkeit gehen zu können oder zu wollen, weil man dadurch vielleicht sein „normales“ Leben verliert. Ich denke fast, dass es schlimmer ist etwas zu verlieren, was man sich mühsam aufgebaut und erkämpft hat und woran man vielleicht auch schon „gewöhnt“ ist.
Nach wie vor verstehe ich „uns Menschen“ nicht, dass wir andere ausgrenzen, weil sie nicht in die berühmte Schublade passen. Ich finde es gerade gut, wenn man in keine Schublade passt und nicht ist wie jeder andere auch. Gerade dass ist doch Vielfalt und eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.
Und ich gebe Dir recht, es wird sehr lange dauern bis „Autismus“ nicht mehr mit den typischen Vorurteilen behaftet ist. Leider!
[…] schon im letzten Blogpost versprochen schreibe ich heute ein wenig darüber wie es mir nach dem März 2011 ergangen ist und […]
ich habe erst spät die diagnose bekommen. ich gehe mit jedem offen um, ich geh aber auch nicht hausieren. wenn es in einem gespräch um mich geht und ich bin an diesem gespräch beteiligt spreche ich es offen an, denn ich finde es sinnvoll auch meinem gegenüber, auch bei meiner arbeit, kollegen die möglichkeit zu geben mit mir umzugehen. denn genau da lag auch immer der knackpunkt: weder ich noch die leute um mich herum, zb damals in der schule, wussten nicht wie sie mit mir umgehen sollen und das ich eben manchen witz, wortwitz usw nicht verstehe, oder das ich einen schuss in meine richtung eigentlich nur ein ball war, der mir zugespielt wurde.
nach einiger zeit merkte ich das andere leute es schätzen meine analytischen fähigkeiten nutzen zu können, zb. in dem sie mich einfach nach meiner meinung fragen.
ich habe mir angewöhnt nachzufragen wenn ich nicht weiss wie jemand etwas gemeint hat, wenn wir vertrauter sind kürze ich es ab mit der aussage „verstehe ich nicht,“ und natürlich wird sich darüber aber auch so manches mal lustig gemacht. aber was solls, ich nehme mir heraus mich in freundschaftlicherweise über leute und kollegen lustig zu machen wenn sie mal wieder handeln oder reden so wie ich es gar nicht nachvollziehen kann und es in meinen augen einfach nur komplett unlogisch erscheint. ein pluspunkt ist auch das ich gelernt habe aussenstehenden erklären zu können was ich nun so lustig finde. sobald sich meine sicht der dinge ihnen erschlossen hat finden sie es auch in der regel lustig.
natürlich muss ich mich zusammenreissen und meinen mann stehen, ich verzweifel oft an der so offensichtlichen dummheit der leute die andere wie ein virus anzustecken scheint. ich denke wir müssen uns einfach ein dickeres fell zulegen als die, die alles so einfach im leben hatten und intuitiv die menschen einschätzen können mit denen sie sich umgeben.
es ist wichtig zu verstehen das jeder in schubladen denkt und das es eine natürliche funktion des gehirns ist um energie zu sparen. es ist die selbe funktion wie gewohnheit, und wenn die gewohnheit gestört wird fühlen die leute sich unwohl. personen, mit denen man nichts zu tun haben will, kann man effektiv abwehren und/oder steuern in dem man ihre erwartungshaltungen, ihre gewohnheiten bzw schubladen bedient. klingt fies, aber ich finde dies ist ein legitimes mittel mit menschen umzugehen mit denen man sich aus verschiedenen gründen nicht persönlich beschäftigen möchte.
ich persönlich merke, da ich verstanden habe mich endlich nicht mehr mit dingen zu beschäftigen die mir persönlich nicht wichtig sind, daß es andere dinge gibt die mir an meinem asperger autismus zu schaffen machen, zb das ich nicht spüren kann das mich jemand liebt, ausser ich bekomme geschenke oder sex. wie gerne würde ich fühlen was andere fühlen, in dem moment wo sie es fühlen, besonders bei personen die mir wichtig sind und ich viel für sie empfinde.
ich habe das glück das ich freunde gefunden habe die ihre gefühlswelt artikulieren können und auch mit mir darüber reden, so daß ich auf nachfrage vergleiche zu meinen gefühlen ziehen kann und so erfahre wie sie empfinden. leute im selben freundeskreis haben verständnis dafür das ich sie schon mal miteinander verwechsle, zb. weil sie ungefähr den selben kleidungsstil haben.nun, und wenn sie es nicht haben interessieren die leute mich auch nicht. ich bin kein arschlochflüsterer und habe aufgehört leute von mir zu überzeugen zu wollen die keine andere hobbys haben als zu hassen.
alles in allem komme ich mit meiner einstellung gut durch. ich halte mich nur noch an menschen bei denen ich mir sicher bin das sie ehrlich zu mir sind und es ernst meinen. dazu gehört mein arbeitgeber, meine kollegen, meine freunde. und, wie gesagt, das kam erst zustande als ich die gegebenheiten akzeptiert habe und aufgrund der akzeptanz des gegebenen entscheidungen treffen konnte.
wichtig ist ein selbstbestimmtes leben zu führen und sich weder abhängig zu machen noch abhängig zu sein, von niemandem, weder von der eigenen familie, noch der beziehung, von freunden, kollegen.
Ich gehöre ebenfalls zu den wenigen Asperger Autistinnen, die es zu einem selbständigen und autonomen Leben hin geschafft haben allerdings um den Preis fast völliger Anonymität und Einsamkeit.
Erst zu Beginn meines siebten Lebensjahrzehntes, also mit über 60 Jahren und nach langer Suche habe ich selbst erkannt, was mit mir anders ist und habe mich sofort diagnostizieren lassen. Nun weiß ich zwar, wer ich bin, aber die anderen wissen das eben noch lange nicht.
Und je mehr mein Selbstwertgefühl, das vor der Diagnose manchmal sehr am Boden war, weil mir meine Umwelt ja deutlich zu verstehen gab, dass ich ihren Erwartungen oft so gar nicht entspräche und mich in Bausch und Bogen ablehnte oder zur Projektionsfläche negativer Eigenschaften machte, ohne mich näher zu kennen. Ich hatte mich aufgrund gehäufter Ablehnung immer mehr zurückgezogen und traute mir trotz sicherer beruflicher und finanzieller Situation immer weniger zu….
Erstaunlicherweise konnte ich meine künstlerische Sonderbegabung im stinknormalen Schuldienst nach zwei erfolgreich abgeschlossenen Studien lange Jahre als stinknormale Beamtin einbringen. Und zwar witzigerweise gerade in einem System, das uns Autisten fast ausnahmslos schon im Kindesalter erbarmungslos aussortiert und von höherer Bildung ausschließt.
Da ich schon selbst als Kind und Jugendliche ständig übersehen und in meinem Anders-Sein nicht wahrgenommen und akzeptiert wurde, flüchtete ich häufig und lange in meine eigene Welt der Phantasie und Vorstellungskraft. Ich liebe Kinder und Jugendliche sehr und sah es lange als meine (Auf-)Gabe an, diesen bei ähnlich gelagerten seelischen Bedrängnissen diese Überlebenstechnik zu vermitteln und Inseln der Freiheit, der Phantasie offenzuhalten…
Kinder sind m.M.n. doch sehr viel stärker und länger, wie wir Asperger Autisten auch, mit dieser „geisteigen Welt“ verbunden, bevor man erzieherischen Einfluss nimmt hin zum Materialismus und zur gesellschaftlichen Anpassung durch ein teilweise brutales Schulsystem mit Zwangscharakter/Schulpflicht.
Beruflich blicke ich heute auf 35 als recht stressig empfundene, aber auch schnell verflogenen berufenen Arbeits-Jahre zurück, die für mich nicht immer leicht waren, mir aber auch viel im spielerischen Kontakt mit Kindern gegeben haben..Mit Hilfe meiner ausgeprägten Intuition, recht kreativen Kompensatiunsleistungen und großer Wachheit konnte ich so lange völlig unentdeckt sogar eine höhere soziale Führungsposition ausüben.
Heute erkenne ich dankbar an: Ich wurde von der geistigen Welt immer wieder um größere Schwierigkeiten herumgeführt, so dass berufliche und private Veränderungen mich selbst und mein Handicap sehr lange total verdeckten und überspielten.
In dieser personenbezogenen Führungsposition hatte ich also viel Freude mit meinen „kleinen Freunden“ im spielerischen Umgang ohne nennenswerte „Auslesefunktion“ durch Noten. Es
verhalf mir mein eigener Enthusiasmus für Bewusstseinerweiterungen und meine Kreativität, aber auch technisch-handwerkliches Können zur langjährigen Akzeptanz meiner „Klientel“. Allerdings irritiert auch meine teilweise etwas verzögerte emotionale Reaktionsweise und meine „Schusseligkeit“ was das Behalten von Namen angeht einige erheblich. Kinder sind aber, meiner Beobachtung nach, wesentlich toleranter und eher zum Verzeihen kleiner Macken ihrer Mitmenschen bereit als mancher Erwachsener.
Nun aber sind mir die Eltern meiner „Kundschaft“ auf die Schliche meines subversiven und nicht immer systemkonformen Schaffens im rigiden Zwangsystem der Staatsmacht gekommen. Da ich offen gegen eine rein materialistisch und konsumistisch orientierte Werteorientierung arbeitete, die Kreativität und Kritikfähigkeit, selbständiges Denken und Bewusstseinsentwicklung zu fördern suchte, wurden eben diejenigen Eltern auf mein Treiben und meinen Einfluss auf ihre Kinder aufmerksam, die „das Beste“ für ihre Kinder im Sinne altbewährter Haltungen wie Wettbewerb, Konkurrenzkampf, Gier und materiellen Erfolg als Lebensziel durchgesetzt sehen wollen….
Damit fing nun erst vereinzelt, dann immer massiver der Widerstand und das Mobbing gegen mich, das so viele Autisten auch kennen, aber selten ganz zu fassen kriegen, an.
Fatalerweise lebe ich sehr zurückgezogen, ohne jeden nachbarschaftlichen oder kollegialen näheren Kontakt auf einem Dorf, wo Anonymität extrem schwierig durchzusetzen ist. Nun gibt es viele Spekulationen und Projektionen gegen mein offensichtliches Anders-Sein, das Top-Thema des respektlosen Dorftratsches, an dem ich mich grundsätzlich nicht beteilige. Per Internet sammelten in der Nachbarschaft wohnende Eltern meiner Schüler/innen frei erfundene „Beschwerden“ gegen mich und erhoben grob unwahre Anschuldigungen vor meinem Vorgesetzten. Den anschließenden Rechtsstreit verlor der Vorgesetzte jedoch vollständig. Dies war aber noch vor meiner Diagnose!
Gelungene Abgrenzung – die Frage, ob Toleranz für das Autismus-Spektrum von Nachbarn und Kollegen sowie Vorgesetzten erwartet werden darf und muss, ist ein großes Thema auch für mich. Mir fehlt aufgrund der offensichtlich teilweise sehr in alten Schuhen feststeckenden Bewusstseins-Entwicklung meiner Mitmenschen sowie ausgrenzendem Verhaltens auf dem Land, wo jeder über die anderen aber nicht mit ihm spricht, immer noch sehr das Vertrauen, mich gefahrlos outen zu können. Nicht einmal die Beruhigung, dass meine bereits erarbeitete Rente mir finanzielle Sicherheit bietet im Falles des Jobverlustes, gibt mir den Mut, mich jetzt zu outen.
Aber ich habe den Plan, in meinem Ruhestand in ein paar Jahren, ein Buch über meine Erfahrungen zu schreiben, da noch viel zu wenig über unsere Situation und gesellschaftliche Problematik bekannt ist.
Sollte wirklich, wie prognostiziert, im Jahre ca. 2040 jedes männliche Neugeborene an Autismus Spektrum leiden, wird dies sicher mehr interessieren als heute….
Ich träume manchmal davon, in einer Welt zu leben, wo ich so angenommen bin, wie ich bin, ohne für bedingungslose Liebe und Akzeptanz erst sterben zu müssen. Seit meiner Diagnose ist meine Selbstliebe enorm gewachsen und mein Selbstbewusstsein und meine innere Freiheit.
Diese Welt ist erst in wenigen spärlichen Ansätzen dabei, zu entstehen, denn Aggressionen und Kämpfe dominieren momentan das mitmenschliche Miteinander, wohin man heute schaut.
Und da ich die schöne Wohnung, in der ich im Grünen als zukünftigem Altersruhesitz lebe, gekauft hatte, war und ist eine Flucht durch Umzug und Ortswechsel nicht mehr so einfach möglich. Aber die Provokationen meiner Mitmenschen durch Betreten meines Gartens in meiner Abwesenheit kann und will ich auch nicht hinnehmen.