Heute entdeckte ich auf Twitter einen tollen Beitrag von Raul Krauthausen. Er schreibt darin über einen Wandel in der Gesellschaft. Darüber das Menschen mit einer Behinderung selbstbewusster mit dieser umgehen und sich nicht mehr verstecken. Die Behinderung gehört zu Ihnen, aber sie sind eben mehr als diese – in vielen Fällen- sichtbare Behinderung.

„Fast so, als wollten sie sagen: Ja, mir fehlt ein Bein oder Arm, aber es ist mir egal, was du denkst. Auch in meinem Freundeskreis sehe ich bei jüngeren Menschen mit Behinderungen, dass sie „lockerer“ damit umgehen als ich damals.“

Das ist eine tolle Entwicklung und ich bin fest davon überzeugt, dass so etwas nur durch die unermüdliche Arbeit von Aktivisten wie Raul möglich wurde.

Raul wünscht sich am Ende des Artikels folgendes:

„Vielleicht ändert sich ja doch langsam was und wir können mehr zeigen, dass wir stolze Menschen mit Behinderungen sind, statt gegen Vorteile zu kämpfen. Es wäre zumindest ein schöner Gedanke!“

Das wäre nicht nur ein schöner Gedanke, es wäre ein großer Schritt zur Inklusion. Gleichzeitig wurde ich aber auch nachdenklich. Trifft das was Raul da beschreibt auch auf Menschen mit unsichtbaren Behinderungen zu? Auf Menschen mit seelischen oder geistigen Behinderungen? Können und dürfen wir stolz sein? Und wie sieht es mit dem Kampf gegen Vorurteile aus?

Viele Fragen. Und je mehr ich darüber nachdenke umso mehr Fragen kommen mir in den Kopf. Zum Beispiel die Frage nach Aktivisten in diesem Bereich. Gibt es sie? Beim Thema Inklusion fallen mir spontan und durchweg nur Menschen mit einer körperlichen Behinderung ein. Also wenn es darum geht in der Öffentlichkeit zum Thema Inklusion etwas zu sagen. Kommen wirklich Menschen mit seelischen Behinderungen bei Konferenzen, Tagungen oder Podiumsdiskussionen zu Wort? Erreichen sie eine größere Masse an Menschen um in der Gesellschaft etwas bewegen zu können oder verhallt was das man zu sagen hat doch eher im Stillen? Ich weiß es nicht, mir kommt es so vor und ich finde das schade. Zur Inklusion gehören doch alle Menschen, egal ob ohne oder mit Behinderung, egal wie diese nun aussieht. Natürlich ist es bei körperlichen und sichtbaren Behinderungen  leichter zu argumentieren, man sieht oftmals die Einschränkung. Menschen die sich hier aktiv einsetzen können auch mit ganz greifbaren Dingen argumentieren. Seien es Rampen, Leitstreifen und Orientierungshilfen für blinde Menschen, Gebärdensprachdolmetscher für Gehörlose. All das kann man konkret einfordern und auch mit eigenen Projekten unterstützen. Aber wie sieht es mit den Hilfen für Menschen mit einer seelischen/psychischen/geistigen Behinderung aus? Hier wird es schwer. Vielleicht gehen wir deshalb in der Diskussion um Inklusion unter oder treten schnell in den Hintergrund? Damit Ihr mich nicht falsch versteht: ich bin froh und dankbar über die Arbeit der Inklusionsaktivisten. Sie bereiten vielen anderen einen Weg und leisten eine wertvolle Arbeit.

Letztendlich stellt sich mir die Frage: Ab wann ist man Aktivist, ab wann erreicht man was und wie weit müsste man sich öffnen um etwas zu bewegen?

Klar ist eines: Für nicht offensichtliche Behinderungen muss man anders vorgehen. Gerade weil sie nicht sichtbar sind. Die Gesellschaft neigt eben doch dazu etwas was man nicht sehen kann auch anzuzweifeln. Wie kann Inklusion in diesem Bereich aussehen? Und was müsste man machen? Wahrscheinlich hilft hier in erster Linie nur eines: Informieren, Informieren, Informieren. Und zu versuchen die unsichtbaren Barrieren irgendwie begreiflich und sichtbar zu machen. Dafür müssen sich Menschen aber öffnen und hier kommen wir wiederum zu einem Problem:

Zum „öffnen“ muss man zwangsläufig einen Teil seiner Privatsphäre aufgeben. Das wiederum fällt ob der bestehenden Stigmata, Ansichten zu dieser Art der Behinderungen und dem Makel der „kaputten Psyche“ nicht leicht. Man landet eben doch viel zu schnell in der „Krank“ oder „Irre“ Schublade aus der man eigentlich raus möchte. Inklusion kann aber nur gelingen wenn eben diese Vorurteile abgebaut werden, und das geht – das ist meine Überzeugung- eben nur wenn man selbst den ersten Schritt macht. Und da reicht es in meinen Augen nicht anonym irgendwo im Internet über seine Behinderung zu berichten. Da braucht es Menschen die offen sind, in der Öffentlichkeit zu der Thematik stehen und eben genau das machen was für Inklusion nötig ist: Informieren und all denen eine Stimme zu geben die unter den Vorurteilen der Gesellschaft leisten. Das erfordert verdammt viel Mut und Einsatz. Und allein mit dieser Erkenntnis schätze ich die Arbeit der Menschen die sich für Inklusion einsetzen noch viel mehr.

Was mich wieder zu einem der ersten Gedanken bringt:

Gibt es diese Menschen die sich dieser Aufgabe stellen und das Thema Inklusion und Umdenken in der Gesellschaft standhaft und gut aufgestellt mitvertreten? Aus dem „Windschatten“ der anderen Aktivisten heraustreten und mit ihnen zusammen einen noch breiteren Weg für andere Menschen bereiten? Und gibt es Veranstaltungen die das berücksichtigen? Gibt man Menschen mit einer seelischen/psychischen/geistigen Behinderung die Chance sich aktiv für Inklusion einzusetzen?

Ich kenne die Antworten auf diese Fragen nicht. Aber sie spiegeln das was ich mir von ganzem Herzen wünsche.